gesetzt, daß die Anweisungen der Regierungskommission nicht befolgt wur¬
den, und der Tag war — nach den Aussagen von Morize — statt einer „fete
de travail“ eine „fete d’intimidation“ geworden76.
Die NSDAP konnte diese erfolgreiche Tätigkeit an der Saar nicht nur ent¬
falten, weil auch hier die „nationale Erhebung“ eine gewisse Faszination
ausübte, sondern weil die Partei auch in diesem Gebiet mit Einschüchterung
und Terror arbeitete77, die um so wirksamer waren, als entscheidende Kreise
des Saargebietes sich in unmittelbarer Abhängigkeit von der deutschen Re¬
gierung befanden. Ein Drittel aller saarländischen Beamten war aus dem
deutschen Beamtendienst beurlaubt, und die beiden anderen Drittel — mit
Ausnahme der wenigen ausländischen Beamten — waren zu ihrer Existenz¬
sicherung nach der Rückgliederung auf Übernahme durch die deutsche Re¬
gierung angewiesen. Die deutsche Entwicklung, insbesondere das Ermächti¬
gungsgesetz und das Gesetz vom 7. April 1933 zur Sicherung des Berufs¬
beamtentums wie die darauffolgenden Entlassungen im Reich ließen die
saarländischen Beamten die Drohungen der NS-Presse, daß sie für ihr Ver¬
halten nach 1935 zur Rechenschaft gezogen würden, ernst nehmen; ein klei¬
nerer Teil trat zur persönlichen Sicherung bereits im März und April 1933
in die NSDAP ein78. Eigentlicher Terror setzte gegen die Kommunisten, die
Sozialdemokraten und die Juden ein79. Jüdische Geschäfte und die „Volks¬
stimme“ wurden boykottiert, und Juden aus kulturellen Arbeitsgebieten
herausgedrängt80; Gastwirte wurden gezwungen, ihre Lokale nur Anhän¬
gern der Rückgliederung zur Verfügung zu stellen81; französische und
jüdische Kinder wurden in den Schulen oder auf dem Schulweg belästigt82;
gegen französische Studenten, die zu einem Besuch in Saarlouis weilten,
wurde in feindlicher Weise demonstriert83; Saarländer wurden in Deutsch¬
land verhaftet oder nach Propagandamaterial durchsucht84; zwei Beamte
des deutschen Sicherheitsdienstes kamen ins Saargebiet mit dem offiziellen
Auftrag, die Tätigkeit der Kommunisten zu beobachten und nach Drucke¬
reien und Verbreitern kommunistischen Propagandamaterials zu suchen85;
andere Saarländer wurden — einmal sogar unter Mithilfe eines saarländi-
76 Com. d. Gouv. Pr.-V. v. 3. 5. 1933, S. 279.
77 Wambaugh, a. a. O., S. 249ff., u. G. Passe, Le Plebiscite de la Sarre, Paris, 1935,
S. 27 ff. stellen die Terrormaßnahmen, gestützt auf die Berichte der Reg. Kom. und
die Eingaben der antinationalsozialistischen Parteien und Gruppen, ausführlich dar.
Hier wird der Terror nur soweit skizziert, wie es für das Verständnis der partei¬
politischen Entwicklung im Saargebiet notwendig ist.
78 Vgh dazu Ber. d. Reg. Kom. über die Beamtenfragen: Amtsblatt der Reg. Kom. 1933,
S. 215 ff.
79 Darüber berichtete besonders die „Volksstimme“ schon in den Monaten März und
April 1933.
80 Darüber bes. Denkschrift der Sozialdem. Partei v. 20. 9. 1933, S.D.N. J.O. XV,1
(1934), S. 53 f., u. v. 6. 1. 1934, XV,3, S. 325 ff.; außerdem Com. d. Gouv. v. 3. 5.
1933, S. 29.
81 Darüber bes. Denkschrift d. Sozialdem. Partei v. 6. 1. 1934, S.D.N. J.O. XV,3 (1934),
S. 330 f.
82 Ebenda, S. 331; außerdem Com. d. Gouv., Pr.-V. v. 17. 5. 1933, S. 299.
83 S.D.N. J.O. XV,9 (1934), S. 1128.
84 S.D.N. J.O. XV,5 (1934), S. 461; XV,8, S. 983 f.; XV,9, S. 1140.
85 Ebenda, XIV,8 (1933), S. 1146 ff.
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