war das Saargebiet fast rein katholisch, und da die Einwanderung in die
Industriezone im 19. Jahrhundert vorwiegend aus den umliegenden katho¬
lischen Gebieten erfolgte, waren auch eine Reihe evangelischer Orte bald
überwiegend katholisch geworden. Mit dem Fortgang des Kulturkampfes17
begann die Aktivität der Kirche und des Zentrums an der Saar. Man wollte
in diesem katholischen Land Zentrumskandidaten in den Wahlen durch¬
setzen. Das Zentrum gewann in der Arbeiterschaft auch wegen seiner Sozial¬
lehre Einfluß. Der Zentrumsabgeordnete Hitze kandidierte 1887 im Wahl¬
kreis Saarbrücken, im gleichen Jahr wurde vom Zentrum der „Sozial¬
politische Verein für den Industriebezirk Saarbrücken“ gegründet, der Ma¬
terial über soziale Mißstände sammelte. Der Trierer Abgeordnete Kaplan
Dasbach nahm sich ebenfalls der sozialen Probleme an der Saar an. Katho¬
lische Arbeitervereine und christliche Gewerkvereine bildeten nach 1900 in
steigendem Maße die Grundlage für eine breitere gewerkschaftliche Orga¬
nisation der Arbeiterschaft18. Ohne Schwierigkeiten vermochte sich das Zen¬
trum in dem Wahlkreis Saarburg-Merzig-Saariouis, der fast rein katholisch
und stark ländlich war, durchzusetzen. Nur noch 1870 wurde für den preu¬
ßischen Landtag neben dem Zentrumskandidaten ein Freikonservativer ge¬
wählt; seit 1871 gab es für den Reichstag und seit 1873 für den Preußischen
Landtag in diesem Wahlkreis nur noch Zentrumsabgeordnete. Dagegen ge¬
lang es im Wahlkreis Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim den Nationallibe¬
ralen und den Freikonservativen gemeinsam, sich zu behaupten. Für den
preußischen Landtag wurden jeweils ein Nationalliberaler und ein Frei¬
konservativer, für den deutschen Reichstag Stumm selbst oder ein anderer
Vertreter der Reichspartei gewählt. Dieser ständige Erfolg gegenüber dem
Zentrum wurde durch die Wahlkreiseinteilung erleichtert; denn mit den
überwiegend katholischen Kreisen St. Wendel und Ottweiler war der rein
evangelische und agrarische Kreis Meisenheim, der unter dem Einfluß des
Bundes der Landwirte stand, zusammengefaßt. Nach dem Tode Stumms
siegte in der Reichstagswahl des Jahres 1903 zum erstenmal ein Zentrums¬
abgeordneter, und 1912 gewann das Zentrum endgültig auch diesen Wahl¬
kreis. Der Kandidat des Zentrums war 1912 Bartholomäus Koßmann, Berg¬
mann von Beruf und als Sekretär des Katholischen Arbeitervereins zu poli¬
tischem Einfluß gelangt.
Vor Beginn des Ersten Weltkrieges standen sich damit an der Saar nur zwei
politische Lager von Bedeutung gegenüber, Nationalliberale und Zentrum.
Die Gegner bekämpften sich erbittert, und beide rangen um Einfluß in der
Arbeiterschaft. Das Zentrum war seit 1912 in seiner Position in den beiden
Randwahlkreisen unbesiegbar geworden. Es war ihm gelungen, das Ver¬
trauen großer Teile der Arbeiterschaft zu gewinnen, in der politischen
Sphäre durch seinen Kampf gegen die Bevormundung der Arbeiterschaft, in
17 Der Kulturkampf an der Saar ist nur in seinen Anfängen untersucht: E. Heitjan,
Zentrumspartei und Zentrumspresse an der Saar zur Zeit des Kulturkampfes, Saar¬
louis 1931; außerdem: Beilot, a. a. O., S. 120—178.
18 Vgl. dazu: Gabel, a. a. O., S. 125—149; Straus, a. a. O., S. 57—60; P. Kiefer,
25 Jahre Gewerkverein christlicher Bergarbeiter im Saarrevier, Saarbrücken 1929,
S. 25—40; Beilot, a. a. O., S. 204ff.
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