saarländischen Verbände, bei allen Veranstaltungen Treueadressen an die
Reichsregierung oder den Reichspräsidenten zu senden, gelang es dem natio¬
nalsozialistischen Einfluß, daß in solchen Adressen neben dem Willen zur
Rückkehr Hitler Vertrauen, Anerkennung und Ergebenheit ausgesprochen
wurde68. Das Programm, das der Führer der NSDAP des Saargebietes, Lan¬
desleiter Spaniol, am 15. Mai 1933 Hitler bei dem Empfang der saarländi¬
schen Parteiführer darlegte, sah die Zusammenfassung der „Deutschtums¬
arbeit im Saargebiet in vier Gruppen“ (kulturelle, wirtschaftliche, Sport-
und Wehrverbände) „möglichst unter nationalsozialistischer Leitung“ vor69.
Auf diese Weise leitete die NSDAP den politischen Gleichschaltungsprozeß
auch im Saargebiet ein. Der Erfolg dieser Tätigkeit zeigte sich bereits bei
einigen Gemeinderatswahlen (Nachwahlen) am 2. Juli 1933. So stieg in
Ludweiler (Warndt), einer der Hochburgen des saarländischen Kommunis¬
mus, der Stimmenanteil der NSDAP gegenüber der Wahl vom 13. Novem¬
ber 1932 von 50 auf 786 Stimmen, das sind 31 Prozent der gültigen Stim¬
men70; in Nalbach, einem rein katholischen Ort des Kreises Saarlouis mit
ländlicher Arbeiterbevölkerung, der vorher politisch besonders zersplittert
gewesen war, erhielt die NSDAP statt vorher 83 nun 601 oder 46,4 Prozent
der gültigen Stimmen71.
Der Stil der Tätigkeit der NSDAP zeigte sich auch in Zukunft bei der
Organisierung des Winterhilfswerkes und der Kinderlandverschickung nach
Deutschland. Die NS-Organisationen beanspruchten innerhalb des Winter¬
hilfswerks die Führung, beschnitten die Mitwirkung anderer Institutionen,
wie z. B. der Caritas, berücksichtigten vorwiegend eigene Anhänger und
arbeiteten bei ihrer Werbung für die Sammlung wie bei der Verteilung mit
Druckmethoden72. Sie sorgten dafür, daß durch die Kinderland Verschickung
die Kinder in Gebiete kamen, in denen eine konfessionelle Betreuung nicht
möglich war73.
Durch die Infiltration von Anhängern der NSDAP in alle Organisationen
und deren Führungsanspruch entstand ein Zustand im Saargebiet, der von
der Regierungskommission dahingehend gekennzeichnet wurde, daß die
NSDAP im Saargebiet neben der Regierungskommission eine „administra-
tion clandestine“74 errichtet habe. Tatsächlich gingen von der NSDAP an
Gemeinden, Verbände und verschiedene Bevölkerungsgruppen Rundschrei¬
ben heraus, die zu bestimmtem Verhalten auf forderten75. So wurde z. B.
durch die nationalsozialistische Propaganda wie durch den von der Partei
ausgeübten Druck erreicht, daß der 1. Mai 1933 zu einer Art Demonstration
für das nationalsozialistische Deutschland wurde. Die NSDAP hatte durch¬
68 S.D.N. J.O. XV,1 (1934), S. 35; Originale solcher Adressen sind in erheblicher Anzahl
erhalten im BA Koblenz, Reichskanzlei R 43 I / 253.
69 S. Protokoll dieser Sitzung unten als Anlage 10, S. 379 ff.
70 S.L.2. Nr. 177 v. 3. 7. 1933.
71 Straus, a. a. O., S. 141.
72 UNO-Archiv, Genf, S.D.N. Beschlüsse der Reg. Kom. 141/34, Nr. 66; vgl. auch
B alk, a. a. O., S. 46 f. und Anlage 12, unten S. 383 f.
73 Vgl. dazu unten Anlage 18, S. 395 ff.
74 S.D.N. J.O. XV,3 (1934), S. 303.
75 Ebenda.
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