gandistische Beeinflussung der Saarländer durch Nationalsozialisten wurde
in Veranstaltungen um die Grenzen des Saargebietes weitergepflegt: Göring
sprach am 5. November 1933 in Trier60, Goebbels am 6. Mai 1934 in Zwei¬
brücken61, in Köln wurde am 25. August 1934 eine Saarausstellung mit
großen Reden eröffnet62. Jedesmal wurden die Saarländer in großen Massen
zu diesen Kundgebungen herbeigerufen.
Die Opposition gegen diese nationalsozialistische Beeinflussung hatte einen
schweren Stand. Bereits im Februar 1933 hatte die Reichsregierung die saar¬
ländische „Volksstimme“ im Deutschen Reich verboten und die sozialdemo¬
kratische Opposition im Saargebiet gegen den Nationalsozialismus als lan¬
desverräterisch erklärt63. Die nationalsozialistische Propaganda verwischte
von allem Anfang an bewußt parteipolitische und innenpolitische Problem¬
stellungen im Saargebiet und arbeitete nur mit nationalpolitischen Gesichts¬
punkten. So wurden alle Gegner als Landesverräter und Separatisten be¬
zeichnet und gegen die Völkerbundskommission als landfremde Regierung
gehetzt. Diese Gedanken verbreiteten besonders die deutschen Sender regel¬
mäßig und systematisch bis zur Abstimmung64.
Aber nicht nur von Deutschland aus gewann der Nationalsozialismus Ein¬
fluß im Saargebiet, sondern durch die Machtergreifung hatte sich auch die
Stellung der NSDAP des Saargebietes entscheidend geändert. Unter dem
Eindruck der deutschen Entwicklung kam es, besonders da man mit der
Rückgliederung selbstverständlich rechnete, zu Neueintritten in die Partei;
in der Parteiorganisation selbst gelangten teilweise die neuen Mitglieder zu
Ämtern und Funktionen, da die bisherigen Mitglieder dazu nicht befähigt
gewesen waren65. Die Partei gewann durch diese Entwicklung im politischen
Kräftespiel auch innerhalb des Saargebiets an Bedeutung. Sie verstand es,
mit Hilfe der neu gewonnenen Anhänger sich in die Leitung der saarlän¬
dischen Organisationen einzudrängen und Beschlüsse in ihrem Sinne herbei¬
zuführen. So erreichten es z. B. Parteimitglieder, daß Vertreter des saarlän¬
dischen Beamtenbundes am 7. April 1933 ein Telegramm an Hitler mit treu¬
deutschen Grüßen, bedingungsloser Anerkennung der nationalen Regierung,
dem Wunsch nach baldiger restloser Rückgliederung und Dank an Hitler
„für die eindeutig klare Schutzerklärung des Beamtentums“ sandten66, ob¬
wohl der Vorstand Widerstand geleistet hatte und versuchte, den Beamten¬
bund im alten Sinne weiterzuführen67. Anknüpfend an die Gewohnheit der
60 S.2, Nr. 295 v. 6. 11. 1933, vgl. außerdem Anlage 14 unten S. 388 f.
61 S.D.N. J.O. XV,5 (1934), S. 458—461.
62 S.L.2. Nr. 255 v. 26. 8. 1934. Uber die nationalsozialistische Propaganda geben auch
Aufschluß AtSA München MK 15 574 u. MInn 47095.
63 S.D.N. J.O. XV,1 (1934), S. 54 f.; Landesrat des Saargeb., Sten. Ber. v. 27. 2. 1933,
S. 77 ff.
64 S.D.N. J.O. XV,5 (1934), S. 461; XV,9, S. 1140.
65 Uber diesen Vorgang und die Mißstimmung, die er teilweise in den Kreisen der alten
Parteigenossen erzeugte, berichten die Gestaponachrichten v. 24. 1. 1934, BA Koblenz,
Reichskanzlei R 43 I / 260.
66 Original des Telegramms BA Koblenz, R 43 I / 253, Rk 3922.
67 Com. d. Gouv. Pr.-V. v. 12. 4. 1933, S. 239f.; v. 21. 4. 1933, S. 245; v. 28. 4. 1933,
S. 251; außerdem Beschlüsse d. Reg. Kom., Bd. 141, Nr. 27, im Anhang Brief d. Reg.
Kom. v. 19. 5. 1933 an den Beamtenbund.
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