Willens, durch Druck in Berlin und Genf die Ernsthaftigkeit und Unbeug-
samkeit ihres Standpunktes zu erhärten.
In den beiden ersten Phasen der Saarverhandlungen waren die Saarparteien
trotz der immer wiederholten Wendung, daß sie lieber bis 1935 warten als
in der Grubenfrage nachgeben wollten, letztlich der Überzeugung, daß
Frankreich angesichts dieses eindeutigen Willens der Saarbevölkerung ein¬
lenken werde. Diese Auffassung war bei ihnen durch die Eigenart ihrer
jahrelangen nationalen Selbstverteidigung wie durch den Versailler Vertrag,
in dem der Bevölkerung ausdrücklich das Selbstbestimmungsrecht zuge¬
standen war, bedingt. Für die Parteien stand deshalb auch immer der po¬
litische Gesichtspunkt des für Frankreich beschämenden Ausganges eines
Plebiszits im Mittelpunkt. Sie sahen darin ein entscheidendes Druckmittel
für die Verhandlungen. Als sich schließlich die Erkenntnis aufdrängte, daß
die Saarverhandlungen wahrscheinlich an der Grubenfrage scheitern wür¬
den, war man besonders in Kreisen des Zentrums bestürzt. Eine Reihe der
führenden Zentrumspolitiker neigte zu einer Revision der schroffen Hal¬
tung, die man am 8. Januar gegenüber möglichen deutschen Angeboten ein¬
genommen hatte. Man begann sich zu fragen, ob die Erregung der Saar¬
bevölkerung und die Haltung der Presse den Verhandlungen dienlich ge¬
wesen sei. Nach einem Gespräch mit Levacher, Becker und Kiefer wandte
sich Koßmann an Legationsrat Friedberg174, um ihm von diesem Stimmungs¬
wandel zu berichten, der aus der Angst geboren sei, daß die Verhandlungen
und die sofortige politische Rückkehr nach Deutschland scheitern könnten.
Es fand eine nochmalige Sitzung mit dem Gremium A statt175, in der die
Parteivertreter mit Ausnahme Brauns sich hinter die Vorschläge und die
Verhandlungsweise der Delegation stellten, während die Vertreter der
Freien und der Christlichen Gewerkschaften weiter zur Vorsicht mahnten.
Für den Fall, daß die sofortige Rückgliederung zu erreichen sei, erklärte sich
schließlich Braun mit allen von der deutschen Delegation geplanten Zuge¬
ständnissen, ausgenommen die Weiterverpachtung der Grube Frankenholz,
einverstanden. Der Standpunkt der saarländischen Vertreter hatte sich also
gegenüber dem 8. Januar gemildert, aber letztlich blieb der Rahmen eines
möglichen Nachgebens gegenüber den französischen Grubenwünschen eng
begrenzt. In diesem Zentralproblem der Verhandlungen war zudem eine
eigenartige Situation entstanden. Die Partei Röchlings, die besonders in
Frankreich als Exponent des nationalen Kampfes galt, war zu weitestem
Entgegenkommen in der Grubenfrage bereit176, während die Sozialdemo¬
kratische Partei als Vertreterin der Verständigungspolitik die schroffste
Haltung gegenüber den französischen Wünschen einnahm177. Die kritische
Haltung der Sozialdemokraten gegenüber einem Teil der geplanten deut-
174 А. A., a. a. O., Bd. 9, II SG 810, ln diesem Aktenstück alles über diesen Vorgang.
175 Ebenda, Bd. 9, II SG 836, Datum fehlt in der Aufzeichnung.
176 Davon zeugen noch weitere Aktenstücke, z. В. А. A., a. a. O., Bd. 3, St. 26, ein Vor¬
trag Röchlings im Reichsverband der Deutschen Industrie in Leverkusen; prinzipiell
vertrat Röchling aber den Standpunkt, daß die Gruben in preußischen und bayeri¬
schen Staatsbesitz zurückkehren müßten, dazu ebenda, Bd. 2, St. 8; ebenda, Bd. 8,
II SG 789.
177 So auch Lambert, a. a. O., S. 166.
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