Full text: Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920 - 1935

Zum andern hatte die Arbeit für das Schicksal des Saargebiets die Parteien 
und die saarländischen Parteiführer in die internationale Problematik und 
in eine außenpolitische Tätigkeit geführt, in der sie erfuhren, daß letztlich 
nur auf der Basis der internationalen Zusammenarbeit und Verständigung 
etwas zu erreichen war. Ihre Hoffnung für die Saarpolitik beruhte in der 
Durchsetzung westlich demokratischer und völkerversöhnender Ideen und 
Institutionen. Die Parteien erhielten zudem wirksame Unterstützung durch 
das Deutsche Reich, und so bewegte man sich in denselben außenpolitischen 
Bahnen wie die Außenpolitiker der Weimarer Republik. Die nationalen 
Verdächtigungen und Diffamierungen, die von den Rechtsparteien gegen 
die „Erfüllungspolitiker“ und „Vaterlandsverräter“ der demokratischen 
Parteien des Deutschen Reiches erhoben wurden, erschienen angesichts des 
nationalen Kampfes jener Parteien im Saargebiet und ihrer Unterstützung 
durch die Politiker der Weimarer Republik und die deutschen Mutter¬ 
parteien absurd. Zu wiederholten Malen und zu verschiedenen Zeitpunkten 
brachten deshalb die saarländischen Parteien und Politiker zum Ausdruck, 
daß nur in der inneren Stabilität der Republik die Voraussetzungen zur 
Überwindung der Nachkriegsnöte und in der Politik der Verständigung die 
Basis zur Verbesserung der außenpolitischen Situation Deutschlands und zur 
Lösung der Saarfrage zu sehen sei. Nach der Ermordung Rathenaus beschloß 
der Saarbrücker Stadtrat z. B. zwei neue Straßen, die Krupp- und Borsig- 
straße genannt werden sollten, statt dessen Rathenau- und Erzbergerstraße 
zu nennen. In derselben Sitzung wurde auf Antrag des Sozialisten Valentin 
Schäfer eine von ihm vorgelegte Entschließung gefaßt, die nach dem Be¬ 
dauern über die Ermordung Rathenaus und Erzbergers fortfuhr: 
„. . . Durch nichts wird die Deutscherhaltung des bedrohten Saargebietes mehr 
gefährdet als durch solches verbrecherisches Treiben gegen die schwer um ihr Dasein 
und ihre Erhaltung ringende Republik. 
Die Stadtverordnetenversammlung . . . fordert von der Reichsregierung, daß sie 
die der Republik von rechts drohende Gefahr in ihrem ganzen Umfange endlich 
erkennt und ihr hart und entschlossen entgegentritt.“ 17 
Die Entschließung wurde einstimmig angenommen, die Vertreter des Zen¬ 
trums und der bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft engagierten sich in ihren 
Ausführungen für den Schutz der Republik. Als die deutsche Reichsregie¬ 
rung am 26. September 1923 zum Abbruch des Ruhrkampfes gezwungen 
1928 in einer Besprechung dem A.A. mit, daß die SPD für die Reichstagswahl Braun 
oder Schäfer von der saarländischen Partei habe nominieren wollen, aber im Saar¬ 
gebiet habe man auf einem Gewerkschaftssekretär bestanden. Deshalb sei kein Saar¬ 
länder in den Reichstag gekommen. (Später wurde dann der Gewerkschaftssekretär 
Schwarz Reichstagsabgeordneter der SPD.) Levacher führte weiter aus, der ständig 
steigende Einfluß der Gewerkschaften sei auch in der Zentrumspartei gegeben. Dazu 
A.A. e. o. II. SG 1395 in II Bes. Geb., Saargebiet, Pol. Parteien, Bd. 2. Obwohl die 
Zentrumspartei gegen ein Reichstagsmandat für den Gewerkschaftsvertreter Kuhnen 
war, setzte dieser sich durch. Dazu A.A. e. o. II SG 1018, ein Vermerk von Legations¬ 
rat Voigt über eine entsprechende Mitteilung Levachers und Regierungsrat Water- 
manns. II Bes. Geb., Saargebiet, Pol. Parteien, Bd. 3. 
17 S.Z. Nr. 168 v. 28. 6. 1922 „Saarbrücken für die Republik". 
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