Zum andern hatte die Arbeit für das Schicksal des Saargebiets die Parteien
und die saarländischen Parteiführer in die internationale Problematik und
in eine außenpolitische Tätigkeit geführt, in der sie erfuhren, daß letztlich
nur auf der Basis der internationalen Zusammenarbeit und Verständigung
etwas zu erreichen war. Ihre Hoffnung für die Saarpolitik beruhte in der
Durchsetzung westlich demokratischer und völkerversöhnender Ideen und
Institutionen. Die Parteien erhielten zudem wirksame Unterstützung durch
das Deutsche Reich, und so bewegte man sich in denselben außenpolitischen
Bahnen wie die Außenpolitiker der Weimarer Republik. Die nationalen
Verdächtigungen und Diffamierungen, die von den Rechtsparteien gegen
die „Erfüllungspolitiker“ und „Vaterlandsverräter“ der demokratischen
Parteien des Deutschen Reiches erhoben wurden, erschienen angesichts des
nationalen Kampfes jener Parteien im Saargebiet und ihrer Unterstützung
durch die Politiker der Weimarer Republik und die deutschen Mutter¬
parteien absurd. Zu wiederholten Malen und zu verschiedenen Zeitpunkten
brachten deshalb die saarländischen Parteien und Politiker zum Ausdruck,
daß nur in der inneren Stabilität der Republik die Voraussetzungen zur
Überwindung der Nachkriegsnöte und in der Politik der Verständigung die
Basis zur Verbesserung der außenpolitischen Situation Deutschlands und zur
Lösung der Saarfrage zu sehen sei. Nach der Ermordung Rathenaus beschloß
der Saarbrücker Stadtrat z. B. zwei neue Straßen, die Krupp- und Borsig-
straße genannt werden sollten, statt dessen Rathenau- und Erzbergerstraße
zu nennen. In derselben Sitzung wurde auf Antrag des Sozialisten Valentin
Schäfer eine von ihm vorgelegte Entschließung gefaßt, die nach dem Be¬
dauern über die Ermordung Rathenaus und Erzbergers fortfuhr:
„. . . Durch nichts wird die Deutscherhaltung des bedrohten Saargebietes mehr
gefährdet als durch solches verbrecherisches Treiben gegen die schwer um ihr Dasein
und ihre Erhaltung ringende Republik.
Die Stadtverordnetenversammlung . . . fordert von der Reichsregierung, daß sie
die der Republik von rechts drohende Gefahr in ihrem ganzen Umfange endlich
erkennt und ihr hart und entschlossen entgegentritt.“ 17
Die Entschließung wurde einstimmig angenommen, die Vertreter des Zen¬
trums und der bürgerlichen Arbeitsgemeinschaft engagierten sich in ihren
Ausführungen für den Schutz der Republik. Als die deutsche Reichsregie¬
rung am 26. September 1923 zum Abbruch des Ruhrkampfes gezwungen
1928 in einer Besprechung dem A.A. mit, daß die SPD für die Reichstagswahl Braun
oder Schäfer von der saarländischen Partei habe nominieren wollen, aber im Saar¬
gebiet habe man auf einem Gewerkschaftssekretär bestanden. Deshalb sei kein Saar¬
länder in den Reichstag gekommen. (Später wurde dann der Gewerkschaftssekretär
Schwarz Reichstagsabgeordneter der SPD.) Levacher führte weiter aus, der ständig
steigende Einfluß der Gewerkschaften sei auch in der Zentrumspartei gegeben. Dazu
A.A. e. o. II. SG 1395 in II Bes. Geb., Saargebiet, Pol. Parteien, Bd. 2. Obwohl die
Zentrumspartei gegen ein Reichstagsmandat für den Gewerkschaftsvertreter Kuhnen
war, setzte dieser sich durch. Dazu A.A. e. o. II SG 1018, ein Vermerk von Legations¬
rat Voigt über eine entsprechende Mitteilung Levachers und Regierungsrat Water-
manns. II Bes. Geb., Saargebiet, Pol. Parteien, Bd. 3.
17 S.Z. Nr. 168 v. 28. 6. 1922 „Saarbrücken für die Republik".
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