Volkspartei noch 2 bis 3 Prozent der Stimmen. Der Stimmenanteil der
Deutschnationalen Volkspartei lag dagegen im Reichsdurchschnitt bei knapp
6 Prozent und sank nur in zwei Wahlkreisen (Niederbayern und Pfalz)
unter die 1,6 Prozent der Saar. Die Wählerschaft der Deutsch-Saarländi¬
schen Volkspartei erwies sich als wesentlich stabiler als im Deutschen Reich.
Das hing mit dem demokratischen Denken eines Teiles ihrer Wählerschaft,
ihren unbestrittenen Verdiensten in der Saarpolitik und der festen jahr¬
zehntelangen Verwurzelung des Liberalismus in einem Teil der saarländi¬
schen Bevölkerung zusammen. Dieses Bild einer größeren Stabilität als in
Deutschland wird noch ergänzt, wenn man den prozentualen Anteil der
beiden radikalen Flügel — Kommunismus und Nationalsozialismus —
zusammennimmt. Der Anteil des Radikalismus im Saargebiet lag weit unter
dem Durchschnitt Gesamtdeutschlands, und mit Ausnahme des Wahlkreises
Niederbayern unter dem Durchschnitt aller deutschen Wahlkreise. Der
Prozentabstand gegenüber den Wahlkreisen, in denen der Radikalismus am
schwächsten war (Köln-Aachen, Koblenz-Trier und Oberbayern-Schwaben),
betrug etwa 5 Prozent. Aber in all diesen Wahlkreisen war das Verhältnis
zwischen NSDAP und KPD umgekehrt, die NSDAP war weitaus stärker
als die KPD. Damit unterschied sich tatsächlich bis 1933 das Saargebiet
durch das fast vollständige Fehlen des Nationalsozialismus und der Rechts¬
gruppen von der innenpolitischen Situation in der Weimarer Republik.
Die tieferen Gründe für die Eigenart der parteipolitischen Lage im Saar¬
gebiet sind wohl in zwei Entwicklungsprozessen jener Jahre zu sehen.
Einmal hatte die bedrohte Grenzsituation zu einer Aktivierung und Zu¬
sammenfassung der politischen Kräfte und einer Stärkung des Gemein¬
schaftsbewußtseins geführt, so daß Gegensätze zwischen den Parteien und
innerhalb der Bevölkerung gemildert und nicht verschärft wurden. Die
Parteien außer den Kommunisten hatten zu Beginn der Völkerbundsregie¬
rung ihre Arbeit unter nationalen Gesichtspunkten und in engem gegen¬
seitigen Kontakt aufgenommen, und diese ihre anfängliche Tätigkeit blieb
für die politische Ideenwelt der einzelnen Parteien wie für das Gesamt¬
system der Saarparteien prägend. Über die Parteien hinaus waren aber auch
die Gewerkschaften, Berufsorganisationen, Wirtschaftsvertretungen und
Vereine in die nationale Einheitsfront einbezogen worden. Das gesamte
öffentliche Leben war politisiert worden15. Die Fiomogenität großer Teile
der Saarbevölkerung und die Tatsache, daß erst unmittelbar nach dem Ersten
Weltkrieg, also in denselben Jahren, die Arbeiterschichten sich in steigendem
Maße politisch oder gewerkschaftlich organisiert hatten, begünstigte diesen
Prozeß einer in erstaunlichem Maße einheitlichen politischen Bewußtseins¬
bildung16.
15 Ein Zeichen dafür ist auch die Tatsache, daß die Hirsch-Dunkersehen Gewerkschaften
sich nur in kleinen bedeutungslosen Gruppen behaupten konnten, während die
Massen den politisierten Christlichen und Freien Gewerkschaften zuströmten. Dazu
auch Straus, a. a. O., S. 62.
16 Die Bedeutung des Ineinander von nationaler Parteipolitik und politisch-gewerk¬
schaftlicher Organisation der Arbeiterschaft zeigte sich auch in der entscheidenden
Rolle, die saarländischen Gewerkschaftsführern zufiel. Levacher teilte am 11. Juni
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