Vertretung marxistisch-klassenkämpferischer und revolutionärer Ideen mu¬
tet in den Reden der saarländischen Kommunisten mit ihren stereotypen
Wendungen phrasenhaft an. Die persönlichen materiellen Nöte, Unzufrie¬
denheiten und Hoffnungen führten die saarländische Arbeiterschaft zum
Kommunismus71. Die Diskrepanz zwischen der von Moskau und Berlin pro¬
pagierten Linie und den letztlich sehr kleinbürgerlichen und persönlichen
Sorgen ist wohl auch als Ursache für das politisch sterile Verhalten der saar¬
ländischen Kommunisten in den Jahren 1933/34 oder für ihre Hinwendung
zum Nationalsozialismus anzusehen72.
Überblickt man die Gesamtlinie der KPD-Politik und ihre Ideen an der
Saar, so war die Haltung der Partei letztlich nur eine radikale Übersteige¬
rung der saarländischen Positionen. Ihr Internationalismus und Antikapita¬
lismus dienten als Basis des Kampfes gegen das bestehende Regierungssystem
und seine Politik; die allgemeine Kritik an dem System wurde damit im
Grunde nur übertrieben und marxistisch gefärbt. In manchen Forderungen
und in konkreten Augenblicken offenbarte sich auch, wie nah man tatsäch¬
lich der nationalen Position der übrigen Parteien war. Man forderte wie sie
die Rückkehr nach Deutschland und bekämpfte die französische Annexions¬
politik oder das Kolonialsystem73; man forderte die Angleichung an die
deutsche sozial- und arbeitsrechtliche Situation74 und nahm Stellung gegen
die Anwesenheit des französischen Militärs im Saargebiet75, gegen den fran¬
zösischen Franc als alleiniges Zahlungsmittel76 und gegen die französische
Schule77. Man stand in geschlossener gewerkschaftlicher und parteipolitischer
Einheitsfront während des lOOtägigen Streiks an der Saar. Als man sich von
den 1000-Jahr-Feiern und dem Nationalismus der anderen Parteien distan¬
zierte, stellte man gleichzeitig nationalpolitisch bedeutsame Anträge78, und
in der Begründung tauchten durchaus national geläufige Wendungen auf:
71 So auch Straus, a. a. O., S. 124.
72 Vgl. dazu unten S. 281.
73 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 27. 4. 1923, S. 31; v. 5. 2. 1925, S. 20 f.; v. 30. 6.
1925, S. 32; v. 4. 12. 1929, S. 342. Reinhard suchte 1925 Legationsrat Voigt im Aus¬
wärtigen Amt in Berlin auf, um für die saarländischen Kommunisten Freifahrtkarten
nach Berlin zu erhalten. „Er glaubte das mit dem Hinweis darauf begründen zu sollen,
daß seine Partei, wenn sie auch nicht als staatserhaltend angesehen werden könne, doch
der imperialistischen französischen Politik im Saargebiet allerhand Unbequemlichkeiten
bereitet habe, und daß die Reichsregierung doch nicht einzelne Parteien bevorzugen
könne, sondern auch bei den Kommunisten auf möglichst enge Fühlungnahme mit dem
Reiche halten müsse.“ So Voigt in einem Brief an Levacher, Durchschlag in A.A.
II Bes. Geb., Saargeb., Saarparlament, Bd. 4 — II SG 806.
74 So besonders die kommunistische Opposition im Landesrat am 4. 12. 1929 (Sten.
Bericht S. 347). In der Oppositionspartei waren die nationalen Züge klarer ausgebildet.
75 S. in Anlage 5 unten S. 345; außerdem Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 30. 6. 1925,
S. 35.
76 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 27. 4. 1923, S. 31; v. 30. 6. 1925, S. 32.
77 Ebenda am 30. 6. 1925, S. 33: Hier heißt es: „Das war die Fortsetzung der alten
Völkerbundspolitik, die durch den Versailler Vertrag, durch die Übergabe der Saar¬
gruben an den französischen Imperialismus, durch die Einführung der französischen
Schulen, diese Französisierungs- und Lostrennungsbestrebungen begonnen hatte, um
sie dann später durch die Einführung der französischen Währung, durch die Zoll¬
abschnürung am 10. Januar, durch den Garantiepakt zu verstärken.“
78 Ebenda, S. 31—35.
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