den Vorstellungen der Mehrheitssozialisten zu erreichen15. KPD und USP
nutzten für ihre Arbeit besonders das Problem der Frankenlöhne und die
ungesunde und gespannte Atmosphäre aus, die sich aus der Tatsache ergab,
daß sich die Bergarbeiterschaft mit ihren hohen Frankenlöhnen in Spekula¬
tionen und Masseneinkäufe stürzte, während die übrigen Arbeiter Not
litten16. Die Absetzung des Linksradikalismus von den großen saarländi¬
schen Parteien und ihrer gemeinsamen Front erreichte ihren Höhepunkt
anläßlich der ersten saarländischen Delegation nach Genf im September
1921. Da sich besonders Wirtschafts- und Industriekreise an der Delegation
beteiligt hatten, konnte sie als kapitalistisch und nationalistisch angepran¬
gert werden17. Ein Protesttelegramm18 von Gewerkschaftsführern folgte,
und in Saarbrücken wurden Protest Versammlungen organisiert. Nach den
darüber vorliegenden Zeitungsberichten19 verliefen sie tumultartig, und die
Resolutionen20 wurden nicht formgerecht angenommen. Ein restlos klares
Bild über Verlauf der Versammlungen und Stärke des Anhangs der Proteste
nach Genf läßt sich daraus nicht gewinnen. Eindeutig erhellt aber, daß Teile
der Arbeiterschaft in Sorge waren, daß die Schritte der anderen politischen
Parteien in Genf zu einer Zurückziehung der Frankenlöhne und damit zu
einer Verschlechterung der Finanzlage der Arbeiterschaft führen könnten.
Ende Dezember 1921 wurde dann eine Denkschrift der USP, der KPD und
einer Reihe von Gewerkschaftsführern nach Genf gesandt21. Diese Denk¬
schrift betonte, daß die USP und die KPD von Anfang an auf dem Boden
des Versailler Vertrages gestanden hätten und daß sie eine grundsätzliche
Opposition aus nationalpolitischen Gründen ablehnten. Sie seien deshalb mit
den Maßnahmen der Errichtung der französischen Grubenverwaltung, des
Obersten Gerichtshofes, der Definition der Saareinwohnerschaft (trotz ge¬
wisser Vorbehalte) einverstanden gewesen und seien aus wirtschaftlichen
Gründen für die Einführung des französischen Franc eingetreten. Dann
folgten Forderungen wie die Schaffung eines saarländischen Parlamentes,
die Einführung des Betriebsrätegesetzes, der obligatorischen Schiedsgerichts¬
barkeit und des gesetzlichen Achtstundentages und der Ausbau der sozialen
Gesetzgebung. Außerdem verlangte man die Trennung von Kirche und
Staat und die simultane Einheitsschule, die vom Geist des Pazifismus ge¬
prägt werden müsse. Bejaht wurden die Schulmaßnahmen der Regierungs¬
kommission, die auch den Kindern der Armen ermöglichten, Französisch zu
15 S.L.Z, Nr. 98 v. 11. 10. 1920 „Gewerkschafts- und Sozialpolitik“, S.Z. Nr. 70 v.
22. 3. 1921 u. Nr. 72 v. 24. 3. 1921 „Der Terrorismus der Kommunisten in der
Arbeiterbewegung des Saargebiets“ und „Gewerkschaftsterrorismus“.
16 S t r a u s, a. a. O., S. 96 ff.; Hoffmann, a. a. O., S. 21 f.
17 S.D.N. Dokument C. 412. M. 290. 1921. L; vgl. auch oben S. 65.
18 S.D.N. Dokument C. 410. M. 288. 1921. I.
19 Volksstimme Nr. 248 v. 24. 10. 1921 „Der Protest-Rummel“; Nr. 235 v. 8. 10. 1921
„Mißlungene Rechtfertigung der Regierung“; Nr. 236 v. 10. 10. 1921 „Der aufgedeckte
Schwindel“; Nr. 237 v. 11. 10. 1921 „Ein kalter Schlag“ u. S.L.Z. Nr. 268 v. 11. 10.
1921 „Eine daneben gelungene Überrumpelung“.
20 S.D.N. Dokument C. 412. M. 290. 1921. I. „Resolution einiger Arbeiterorganisationen
des Saargebietes“.
21 S.D.N. Dokument C. 30. M. 50. 1922. I.; A.Z. Nr. 1 v. 2. 1. 1922.
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