dem Krieg für die konfessionslose Einheitsschule gekämpft, aber dann war
ihr die gemeinsame deutsche Front gegenüber der französischen Domanial-
schule wichtiger geworden72. Bei den Demokraten und Liberalen des Saar¬
gebiets bildete sich eine feste Tradition, aus nationalpolitischen Gründen die
Konfessionsschule nicht anzutasten73. Die gemeinsame Linie in dieser Frage
wurde auch durch eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem katho¬
lischen Lehrerverband und dem freien Lehrerverband festgelegt74. Da sich
in der Schulfrage Einfluß und Macht der Zentrumspartei des Saargebiets
besonders wirksam gezeigt hatten, war es verständlich, daß die Partei in der
Diskussion, die sich seit 1929 wieder um die Frage der Domanialschule ent¬
spann, besonders aktiv zeigte75. Man sah wohl im Rückgriff auf diesen
Problemkreis immer wieder eine Chance, zentrale Erlebnisinhalte der saar¬
ländischen Katholiken zu aktivieren und dadurch wirksame Propaganda für
die Zentrumspartei zu entfalten.
Einen gewissen Einfluß auf die geistige Begründung der nationalen Hal¬
tung des Zentrums übten auch die Darlegungen Carl Schmitts anläßlich der
Rheinischen Jahrtausendfeier im Jahre 1925 aus. Rechtsanwalt Levacher,
der Fraktionsführer des Zentrums im Saarländischen Landesrat, Zentrums¬
sprecher bei den Genfer Delegationen und Sprecher zu außenpolitischen Pro¬
blemen im Landesrat, berief sich in der Sitzung des Landesrats vom 17. No¬
vember 1925 im Verlauf seiner Rede über die Bedeutung von Locarno auf
Schmitt. Nach Worten voller Hoffnung über Locarno führte er im Hinblick
auf den Versailler Vertrag und die Saarordnung aus:
„Ich sagte, das Fundament ist unsittlich, der ganze Bau ist ebenso unsittlich. In
dieser Beziehung war das geradezu eine Offenbarung für mich, was unser Partei¬
freund, der bekannte Rechtslehrer Schmitt, bei der Jahrtausendfeier des Zentrums
ausgeführt hat, . . . Jedes europäische Volk von einigem nationalen Bewußtsein
empört sich bei diesem Gedanken, von Fremdlingen regiert und beherrscht zu
werden.“ 76
Die Auffassungen Schmitts wurden für einzelne Zentrumsvertreter eine
theoretische Rechtfertigung des Kampfes gegen die Regierungskommission
und steigerten die Kampfhaltung gegenüber deren Maßnahmen zu einer
72 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 30. 10. 1923: Hier führte der Sprecher der
Sozialdemokratischen Partei z. B. aus: „Die Sozialdemokratie steht bekanntlich auf
dem Boden der freien, weltlichen Einheitsschule. Wenn wir auch aus naheliegenden
Gründen in der gegenwärtigen Zeit keine Veranlassung haben, den Kampf um die
Schule in der heftigsten Form entbrennen zu lassen, so besteht aber auch andererseits
keine Ursache, die Konfessionalität der Volksschule noch mehr zu vertiefen.“
73 In dem Parteiprogramm der Deutsch-Saarländischen Volkspartei, S.Z. Nr. 5 v. 6. 1.
1924, hieß es: „Im Interesse der Erhaltung der Einheitsfront der politischen Parteien
ist die Partei bereit, sich für die Erhaltung der bestehenden Schulverhältnisse bis zum
Jahre 1935 einzusetzen. Voraussetzung dabei ist, daß folgende Grundsätze berück¬
sichtigt werden: Unbedingte Gewissensfreiheit der Eltern und Lehrer, keine Wieder¬
einführung der geistlichen Schulaufsicht, auch nicht auf Umwegen.“ Daß diese Tradi¬
tion nachwirkte, zeigte sich im saarländischen Abstimmungskampf von 1955, in dem
die Demokratische Partei des Saargebiets (heute FDP) ausdrücklich für das Saarland
die Beibehaltung der Konfessionsschule zusagte.
74 Mitteilung v. Peter Zenner.
75 Vgl. dazu oben S. 106 f.
76 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 17. 11. 1925, S. 3.
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