des innigen Zusammenhanges zwischen Volkstum und Religionsbetätigung von
katastrophaler Bedeutung sein würde. . . . Die Gefahr ist so ernst, daß selbst ein
oberhirtliches Schreiben des zuständigen Bischofs notwendig erschien, das die freien
französischen Grubenschulen für katholische Kinder verwarf. Sie sind ein erster
Schritt zur gottlosen Laienschule . . ,“65
Welche Bedeutung Haltung und Politik des Zentrums in Schul- und Bistums¬
frage erlangt hatten, zeigte sich an zwei aufsehenerregenden Vorkommnis¬
sen. Während des Streiks des Jahres 1923 hatte Rault in der Ratssitzung in
Genf vom April 1923 behauptet, durch die Existenz bayrischer nationalisti¬
scher Gruppen zu seinem energischen Vorgehen veranlaßt worden zu sein66.
In dieser Lage hatte ein Agent der Franzosen, Kennel, durch Aufzeichnungen
in seinem Notizbuch solche nationalistische Treibereien vorgetäuscht. Von
den unliebsamen Persönlichkeiten an der Saar sollte Pfarrer Bungarten vor
allem kompromittiert werden. Kennel hatte ihn in seinen Notizen mit der
NSDAP in Verbindung gebracht67. Die Regierungskommission ließ eine
Haussuchung bei Pfarrer Bungarten vornehmen, was zu einem heftigen Pro¬
test in Genf führte68. Die saarländischen Parteien kamen im Landesrat
immer wieder auf die Affäre Kennel zurück69. Ein gewisses Pathos im
nationalen Denken des Zentrums zeigte sich, als der Vorstand am 10. De¬
zember 1924 Professor Dr. Notton wegen seiner Haltung in der Schul- und
Bistumsfrage aus der Partei ausschloß70. Das führte zwar eine Zeitlang zu
gewissen Spannungen innerhalb der Zentrumspartei, da Notton einen Teil
der Geistlichen im Saargebiet in persönlichen Aussprachen davon überzeugt
hatte, daß er keine frankophile Politik treibe71. Die Geistlichen innerhalb
des Führungsgremiums der Zentrumspartei blieben aber seine Gegner.
Die anderen Parteien mußten anerkennen, daß das Zentrum in der Bistums¬
und Schulfrage eine zentrale Bedeutung in der Saarpolitik erlangt hatte. Die
Unterstützung der Geistlichkeit und des Bischofs und die weltanschaulichen
Komponenten im Schulkampf stellten für die Zentrumspartei außerordent¬
lich wirksame Mittel zur Beeinflussung der Bevölkerung dar und konnten
dem gemeinsamen nationalen Kampf unschätzbare Dienste leisten. Aus die¬
sen Gründen respektierten die Sozialdemokraten und die Deutsch-Saar¬
ländische Volkspartei die Forderungen des Zentrums in der Frage der Kon¬
fessionsschule. Die Sozialdemokratische Partei hatte zwar unmittelbar nach
65 S.L.Z. Nr. 254 V. 23. 9. 1923.
66 S.D.N. J.O. IV,6 (1923), S. 596 f.
67 Bistumsarchiv Trier, Abt. 59, Nr. 57, hier Abschrift der Kennelnotiz über Bungarten.
68 S.D.N. Dokument C. 329. 1923. I. Denkschrift der katholischen Verbände der Pfarrei
St. Josef Saarbrücken-Malstatt v. 12. 4. 1923.
69 Z. B.: Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 5.2.1925, S. 13 u. S. 30 f.; v. 14. 2. 1925,
S. 15.
70 S.L.Z. Nr. 323 v. 12. 12. 1924 „Eine Entschließung des saarländischen Zentrums“;
der Artikel ist im A.A. Bes. Geb. II, Saargebiet: Pol. Parteien, Bd. 1, eingeheftet;
auf der Rückseite findet sich eine handschriftliche Notiz: „Nach Mitteilung von H.
Hillenbrand war der Beschluß nur sehr schwer herbeizuführen. Von den Geistlichen
stimmte keiner dafür, sie hatten entweder vorher das Zimmer verlassen oder ent¬
hielten sich der Stimme. Entscheidend waren nur Laienstimmen.“
71 A.A., a. a. O., Bd. 2, Der preußische Innenminister überreichte dem Auswärtigen Amt
am 2. 2. 1926 einen Bericht über die Zentrumspartei des Saargebiets v. 11. 1. 1926,
in dem diese Schwierigkeiten dargestellt wurden.
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