der Frühzeit des Saargebiets wurden von der Regierungskommission nie
ernsthaft erörtert. Diese Regelungen konnten für die politischen Parteien
im Grunde auch nicht mehr beunruhigend sein, da sie an der nationalpoliti¬
schen Situation im Saargebiet nichts geändert hatten und da die Verhältnisse
wirtschaftlich und sozial günstig waren. Die Parteien beharrten aber in ihrer
Ablehnung dieser Festlegungen, und diese bildeten den Grund für eine
kritische Haltung gegenüber der Regierungskommission, auch nach 1926.
Einen dritten Bestandteil der saarländischen Gesetzgebung bildeten jene
Verordnungen politisch neutralen Charakters, die dem Wohle der Bevölke¬
rung dienen und das Sonderregime möglichst vorteilhaft gestalten sollten.
In diesen Fragen entfalteten die Parteien eine große Aktivität. Die Über¬
schaubarkeit des Saarlandes und der Sonderstatus des Gebietes trugen dazu
bei, daß die Interessen aller Gruppen der Bevölkerung untersucht und gel¬
tend gemacht werden konnten. Die Parteien wetteiferten in den großen
Debatten im Landesrat5 über die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse
an der Saar und in ihren Eingaben an die Regierungskommission stets erneut
in der Anmeldung von Forderungen und Reformvorschlägen, die den ver¬
schiedenen Bevölkerungskreisen zugute kommen sollten. Sie vermochten
viele Vorteile zu erlangen, die sich für die wirtschaftliche und soziale Situa¬
tion günstig auswirkten. Besonders in zoll- und steuerpolitischer Hinsicht
entstanden Verhältnisse, die Voraussetzung für die Wünsche der Saarländer
nach Sonderregelungen bei der Rückgliederung wurden.
Wenn der Einfluß der Saarparteien und mit und neben ihnen der übrigen
politischen und sozialen Organisationen der Saarbevölkerung auch ein sach¬
lich durchaus beachtliches Ausmaß erreicht hatte, unterschied sich die Zu¬
sammenarbeit des Landesrats mit der Regierungskommission doch von der
einer gesetzgebenden Körperschaft mit einer Regierung. Da der Landesrat
für die gesetzlichen Regelungen letztlich nicht die Verantwortung trug,
zeigte seine Stellungnahme immer wieder den Charakter einer nationalen
Demonstration oder einer Interessenvertretung, die möglichst viel fordert.
Auch die Tatsache, daß der Landesrat nicht das einzige Organ zur Einflu߬
nahme auf die Gesetzgebung blieb, sondern daß die Petitionen und Dele¬
gationen nach Genf und dann auch noch die Verhandlungen mit dem Inter¬
nationalen Arbeitsamt und der französischen und der deutschen Regierung
hinzutraten, führte die Saarvertreter immer wieder in die Rolle von An¬
wälten saarländischer Interessen und fordernden Bittstellern.
Aber nicht nur die Aktionen im Landesrat, in Genf, in Paris und in Berlin
liefen parallel, wenn es galt, entscheidende Forderungen durchzusetzen, son¬
dern die Wünsche wurden gleichzeitig vom Landesrat und von den Gewerk¬
schaften, den Wirtschaftsverbänden oder den Beamtenorganisationen er¬
hoben, je nachdem um welche Interessen es jeweils ging. Dadurch wurde
unterstrichen, daß die Stellungnahme der Parteien im Landesrat eine breite
Basis in der Bevölkerung besaß. Es zeigte sich zudem, daß es auch bei der
5 Z. B.: Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 3. 3. 1928, S. 362ff.; v. 3. 5. 1928, S. 6f.;
v. 14. 4. 1931, S. 68 ff.; v. 13. 10. 1931, S. 206ff.
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