Full text: Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920 - 1935 (3)

nahmen der Parteien. Die Zusammenarbeit zwischen Regierungskommission 
und Landesrat wurde sehr intensiv. Damit bahnte sich bereits vor dem 
Rücktritt Raults eine neue Situation an. Die Wünsche der Bevölkerung wur¬ 
den nicht nur in national neutralen Fragen, sondern auch bei strittigen Ma߬ 
nahmen stärker berücksichtigt. 
In einer dritten Phase der Entwicklung wurden seit 1926 eine Reihe der 
Forderungen der Saarländer aufgegriffen und wuchs ihr Einfluß auf die 
Gesetzgebung, wie sich in der Untersuchung der verschiedenen Gesetzes¬ 
materien zeigte. Das Gesetzgebungsgefüge an der Saar wurde nun durch die 
weitere Entwicklung nicht vollständig umgeformt, sondern es prägte sich 
nur klarer in seiner dreifachen Schichtung aus. 
Zunächst war die im Saargebiet Vorgefundene Gesetzesgrundlage die im 
Versailler Vertrag garantierte deutsche Rechtsordnung vom 11. November 
1918. Die Parteien hatten einmal erreicht, daß diese Rechtsordnung nicht zur 
Erstarrung der Verhältnisse geführt hatte, zum anderen hatten sie es ver¬ 
standen, für die Fortentwicklung den Gesichtspunkt der Rechtsangleichung 
an die deutsche Gesetzgebung, wie sie sich nach 1918 entfaltet hatte, wirk¬ 
sam zu vertreten. Besonders auf dem Gebiet des Schulwesens und der Sozial¬ 
gesetzgebung vermochten sie nach 1926 eine fast vollständige Angleichung 
an die deutsche Rechtslage der Weimarer Republik durchzusetzen. Im Saar¬ 
gebiet faßte man die Paragraphen 23 bis 28 des Saarstatuts nicht als Siche¬ 
rungen für eine vergangene Rechtsordnung, sondern als Garantie der Rechts¬ 
einheit mit dem Deutschen Reich auf. Die Parteien hatten deshalb immer 
wieder auf die Einführung deutscher Gesetze gedrängt und sie dann im 
Landesrat allein schon unter diesem Gesichtspunkt angenommen. Die drei 
entscheidenden Parteien erblickten in dem Ausbau der deutschen Struktur 
der saarländischen Gesetzgebung eine ihrer Hauptaufgaben zur Vorberei¬ 
tung einer reibungslosen Rückgliederung an das Deutsche Reich3. 
Neben diesen deutschen Wesenszügen bestimmten aber auch die Entschei¬ 
dungen, die zur Sicherung der französischen Rechte und der saarländischen 
Autonomie während der beiden ersten Phasen von der Regierungskommis¬ 
sion getroffen worden waren, die saarländische Rechtslage weiter. Die Re¬ 
gierungskommission tastete auch nach 1928, als endgültig nicht mehr von 
einer profranzösischen Mehrheit der Kommission die Rede sein konnte, viele 
der einmal vollzogenen rechtlichen Regelungen wie z. B. über die französi¬ 
schen Domanialschulen, die französische Währung und die französischen 
Einflüsse im Steuersystem nicht an und blieb auch bei der Zurückweisung 
der saarländischen Forderungen nach Einführung aller arbeitsrechtlichen 
Gesetze der Weimarer Republik. Die Rechtsordnung in diesen Fragen war 
aufs engste mit dem Saarsystem verflochten, wie es im Versailler Vertrag 
grundgelegt und von der Regierungskommission in den ersten Jahren gemäß 
ihrer Interpretation ausgestaltet worden war. Die wiederholten Forde¬ 
rungen des Landesrats nach einer vollständigen Revision dieser Gesetze4 aus 
3 So auch Kall, a. a. O., S. 524 f. 
4 2. B.: Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 3. 5. 1928, S. 4 u. S. 19; v. 28. 4. 1932, 
S. 8 ff. u. S. 44 f. 
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