nahmen der Parteien. Die Zusammenarbeit zwischen Regierungskommission
und Landesrat wurde sehr intensiv. Damit bahnte sich bereits vor dem
Rücktritt Raults eine neue Situation an. Die Wünsche der Bevölkerung wur¬
den nicht nur in national neutralen Fragen, sondern auch bei strittigen Ma߬
nahmen stärker berücksichtigt.
In einer dritten Phase der Entwicklung wurden seit 1926 eine Reihe der
Forderungen der Saarländer aufgegriffen und wuchs ihr Einfluß auf die
Gesetzgebung, wie sich in der Untersuchung der verschiedenen Gesetzes¬
materien zeigte. Das Gesetzgebungsgefüge an der Saar wurde nun durch die
weitere Entwicklung nicht vollständig umgeformt, sondern es prägte sich
nur klarer in seiner dreifachen Schichtung aus.
Zunächst war die im Saargebiet Vorgefundene Gesetzesgrundlage die im
Versailler Vertrag garantierte deutsche Rechtsordnung vom 11. November
1918. Die Parteien hatten einmal erreicht, daß diese Rechtsordnung nicht zur
Erstarrung der Verhältnisse geführt hatte, zum anderen hatten sie es ver¬
standen, für die Fortentwicklung den Gesichtspunkt der Rechtsangleichung
an die deutsche Gesetzgebung, wie sie sich nach 1918 entfaltet hatte, wirk¬
sam zu vertreten. Besonders auf dem Gebiet des Schulwesens und der Sozial¬
gesetzgebung vermochten sie nach 1926 eine fast vollständige Angleichung
an die deutsche Rechtslage der Weimarer Republik durchzusetzen. Im Saar¬
gebiet faßte man die Paragraphen 23 bis 28 des Saarstatuts nicht als Siche¬
rungen für eine vergangene Rechtsordnung, sondern als Garantie der Rechts¬
einheit mit dem Deutschen Reich auf. Die Parteien hatten deshalb immer
wieder auf die Einführung deutscher Gesetze gedrängt und sie dann im
Landesrat allein schon unter diesem Gesichtspunkt angenommen. Die drei
entscheidenden Parteien erblickten in dem Ausbau der deutschen Struktur
der saarländischen Gesetzgebung eine ihrer Hauptaufgaben zur Vorberei¬
tung einer reibungslosen Rückgliederung an das Deutsche Reich3.
Neben diesen deutschen Wesenszügen bestimmten aber auch die Entschei¬
dungen, die zur Sicherung der französischen Rechte und der saarländischen
Autonomie während der beiden ersten Phasen von der Regierungskommis¬
sion getroffen worden waren, die saarländische Rechtslage weiter. Die Re¬
gierungskommission tastete auch nach 1928, als endgültig nicht mehr von
einer profranzösischen Mehrheit der Kommission die Rede sein konnte, viele
der einmal vollzogenen rechtlichen Regelungen wie z. B. über die französi¬
schen Domanialschulen, die französische Währung und die französischen
Einflüsse im Steuersystem nicht an und blieb auch bei der Zurückweisung
der saarländischen Forderungen nach Einführung aller arbeitsrechtlichen
Gesetze der Weimarer Republik. Die Rechtsordnung in diesen Fragen war
aufs engste mit dem Saarsystem verflochten, wie es im Versailler Vertrag
grundgelegt und von der Regierungskommission in den ersten Jahren gemäß
ihrer Interpretation ausgestaltet worden war. Die wiederholten Forde¬
rungen des Landesrats nach einer vollständigen Revision dieser Gesetze4 aus
3 So auch Kall, a. a. O., S. 524 f.
4 2. B.: Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 3. 5. 1928, S. 4 u. S. 19; v. 28. 4. 1932,
S. 8 ff. u. S. 44 f.
149