bereiteten ihm wiederholt Sorgen46. Die Reichsregierung wurde also von
politischen Gründen geleitet. Ein entscheidender Erfolg für diese deutsche
Politik trat nach dem Abschluß der Saarzollabkommen und des Eisenpakts,
die beide der Eingliederung der Saareisen- und -Stahlindustrie in den deut¬
schen Wirtschaftsraum dienten, rasch ein, da nun das Interesse der fran¬
zösischen Industriellen an diesen Produktionszweigen im Saargebiet end¬
gültig zurückging; die Werke mit einer sechzigprozentigen französischen
Beteiligung kamen im Laufe der folgenden Jahre wieder überwiegend in
deutsche bzw. saarländische Hände47. Die Saarparteien und die Saarwirt¬
schaft hatten im Kampf um die Zollfragen ihre Interessen mit den natio¬
nalen Belangen zu verknüpfen verstanden.
3. Ergebnisse der innersaarländischen Entwicklung
Die innersaarländische Entwicklung läßt sich fast auf allen Gebieten der
Gesetzgebung in drei nicht scharf voneinander abzugrenzende Phasen glie¬
dern L
In den ersten Jahren von 1920 bis 1922/23 wurden die Verhältnisse vor¬
wiegend von den Vorstellungen der Regierungskommission und besonders
Raults bestimmt. Kritik an den Maßnahmen der Regierungskommission und
der Wunsch zu einer grundsätzlichen Änderung der saarländischen Verhält¬
nisse überwogen in den Äußerungen der Parteien.
In der Zeit von der Errichtung des Landesrates (1922) und der Ratsdebatte
im Juli 1923 bis zum Rücktritt Raults (1926) dominierten in der Begegnung
zwischen Regierungskommission und Parteien noch die großen und heftigen
Kontroversen im Landesrat, die sich an den nationalpolitischen Aspekten
einer Reihe von Gesetzen, z. B. der Einführung der französischen Zollgesetze
und der französischen indirekten Steuern entzündeten. Rault setzte gegen
den Willen der Parteien noch jene Regelungen durch, die er für die ver¬
tragsgemäße Ausgestaltung des Systems, insbesondere die Sicherung der
französischen Rechte, für notwendig hielt. Die Tatsache aber, daß der Rat
des Völkerbundes sich mehrmals für ein möglichst demokratisches Regie¬
rungssystem an der Saar ausgesprochen2 und einige Fragen der saarlän¬
dischen Gesetzgebung erörtert hatte, erhöhte bereits in dieser zweiten Phase
der Entwicklung die Bedeutung der Landesratsäußerungen und der Stellung¬
46 A.A. II Bes. Geb. Saargebiet: Rückgliederung Bd. 1: e. o. II SG 1025 Memorandum von
Legationsrat Voigt über die Saar v. 1. 6. 1929. Das zeigt auch AStA München MW
Nr. 2268, Beiakt: Verhältnisse der Saarbergleute.
47 Lambert, a. a. O., S. 159f-; Cartellieri, a. a. O., S. 241 f.; Borck, a. a. O.,
S. 26 f. Vgl. auch oben S. 141 Anm. 1.
1 Katsch, a. a. O., S. 96ff., und Kall, a. a. O., S. 497, gliedern ebenfalls in drei
Phasen, erarbeiten aber andere Zäsuren, nämlich 1926 mit dem Rücktritt Raults als
Ende der ersten Phase, 1928 mit dem Rücktritt Lamberts als Ende einer Übergangs¬
phase, in der die Verhältnisse sich bereits besserten, und als Beginn der Tätigkeit einer
neutralen Kommission. Diese Einteilung ist aus der Sicht der damaligen Zeit gewon¬
nen und würdigt die tatsächliche gesetzliche Entwicklung nicht genügend.
2 Vgl. dazu oben S. 67 f. u. S. 77.
148