Denkschrift nach Genf17, um eine Beteiligung einer saarländischen Delega¬
tion an deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen zu erreichen. Am
7. Januar erhob der Sprecher der Deutsch-Saarländischen Volkspartei im
Landesrat dieselbe Forderung18. Die Regierungskommission vertrat ange¬
sichts dieser Schritte der Saarländer wiederholt die Auffassung, daß ihre
Wünsche gegen die Versailler Vertragsbestimmungen seien, die Regelung
deutsch-französischer Wirtschafts- und Zollvereinbarungen nicht in ihren
Kompetenzbereich falle und daß sie nichts tun könne19. Der Druck der Wirt¬
schaftsvertreter und der Parteien veranlaßte die Regierungskommission
dennoch, aktiv zu werden und den Wünschen der Bevölkerung einen ge¬
wissen Einfluß zu verschaffen. So vermittelte Rault, daß eine Delegation
aus saarländischen Wirtschafts- und Arbeiterkreisen am 15. Januar 1925 in
Paris von dem französischen Handelsminister Raynaldy im Beisein Raults
und Stephens empfangen wurde20. Die Saardelegation wurde in ihren Be¬
fürchtungen über die negativen Folgen der Eingliederung in das französische
Zollsystem beruhigt; man solle zunächst einmal abwarten, sollte die Lage
sich tatsächlich so schwierig gestalten, sei Frankreich zu Milderungen in den
Zollgesetzen bereit21. An demselben Tag schloß die Regierungskommission
ohne Beteiligung der Saarländer ein Abkommen mit der französischen Re¬
gierung. Darin war die Einführung der französischen Verbrauchssteuern an
der Saar vorgesehen, da sonst Frankreich die Zollgrenze gegen Lothringen
nicht aufheben könne, aber für das Saargebiet sollten Zolleinfuhrverbote
des französischen Zollsystems wie für Tabak, Medikamente, Edelmetalle,
Spielkarten, Streichhölzer usf. wegfallen und die Kompetenz zur Zulassung
der Einfuhr dieser Produkte sollte der saarländischen Abteilung für Volks¬
wohlfahrt zuerkannt werden22. Die Beratung dieses Abkommens im saar¬
ländischen Landesrat und seinen Kommissionssitzungen zog sich über Wochen
hin, da die Saarländer die Auffassung vertraten, wenn sie zu den Verhand¬
lungen hinzugezogen worden wären, hätten sie wesentlich mehr erreichen
können. Der Wunsch Frankreichs, daß die französischen indirekten Steuern
an der Saar eingeführt würden, sei eine günstige Voraussetzung zur Aus¬
handlung der saarländischen Zollwünsche gewesen. Die Regierungskommis¬
sion habe sie durch ihre französische Orientierung verscherzt23. Als trotz
langer Verhandlungen des Landesrats mit der Regierungskommission, ins¬
besondere auch mit Morize, keine festen Zusicherungen für eine Erfüllung
weiterer saarländischer Wünsche erreicht werden konnten, lehnten alle Par¬
teien die Vorlage in der Landesratssitzung vom 2. April 1925 ab24. Die
Sozialdemokraten und die Kommunisten hatten bereits in der Sitzung am
17 S.D.N. C. 799. M. 268. 1924. I.
18 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 7. 1. 1925, S. 30.
19 Vgl. oben Anm. 14 dieses Abschnitts.
20 Landesrat des Saargeb., Sten. Ber. v. 5. 2. 1925, S. 7; Brief Raults v. 27. 2. 1925 unter
C. 116. M. 56. I. und 21. Ber. der Reg.-Kom. v. 16. 4. 1925: J.O. VI,5 (1925),
S. 763.
21 Landesrat, Sten. Ber. v. 5. 2. 1925, S. 7.
22 Ebenda: Sten. Ber. v. 5. 2. 1925, S. 10 u. S. 19, und besonders v. 13. 2. 1925, S. 27f.
23 Ebenda: Sten. Ber. v. 2. 4. 1925, S. 5ff.
24 Ebenda, S. 10.
144