Aber nicht nur an das Deutsche Reich wandte man sich wegen der Durch¬
setzung der saarländischen Wünsche, sondern auch an das Internationale
Arbeitsamt, dessen Vermittlung man in Paris wegen der französischen
Widerstände in der Erhöhung der Knappschaftsbeiträge und wegen der
Entlassungen auf den Saargruben in Anspruch nahm109. So konnte auch das
Knappschaftsversicherungswesen laufend verbessert werden, zunächst durch
die höheren Leistungen Deutschlands, dann durch die Knappschaftsnovelle
im Jahre 1930, die sich an das deutsche Knappschaftsgesetz von 1923 an-
lehnte110.
Auf dem Sektor des Versicherungswesens hatten die Vertreter der Saar¬
parteien also ihre Ziele erreicht. Je näher die Abstimmung rückte, desto
stärker war eine Anpassung an die deutschen Versicherungen gegeben111.
Außerdem wurden bereits 1932 durch Bemühungen der Regierungskommis¬
sion Gegenseitigkeitsabmachungen zwischen Deutschland, der Saarregierung
und Frankreich getroffen, welche die Übernahme von Versicherungsansprü¬
chen, die Personen im Saargebiet, in deutschen Grenzgebieten und in Elsaß-
Lothringen erworben hatten, durch deutsche, französische oder saarländische
Versicherungsträger regelten. Sie schufen eine günstige Rechtsbasis für den
Augenblick der Rückgliederung112. Auf arbeitsrechtlichem Gebiet wurde da¬
gegen die Rechtsangleichung an die Weimarer Republik nicht vollzogen. Die
entsprechenden Forderungen wurden zwar gelegentlich auf den Parteitagen
des Zentrums, insbesondere aber der Sozialdemokraten noch erhoben113,
spielten aber keine entscheidende Rolle mehr. Man war durch die laufenden
Verbesserungen im Zusammenhang mit einer günstigen wirtschaftlichen Ent¬
wicklung doch weitgehend befriedigt. Allerdings trug man an der Weltwirt¬
schaftskrise, die zwar später und im Umfang der Arbeitslosigkeit etwas
weniger schlimm als in Deutschland einsetzte, nach den Jahren verhältnis¬
mäßig hohen Lebensstandards besonders hart und wünschte, daß die Re¬
gierungskommission durch öffentliche Arbeiten der Not steuere114. Die gro¬
ßen Arbeitsbeschaffungsprogramme der Parteien scheiterten am Widerstand
der Regierungskommission, die auf Grund der ausführlichen internationalen
Studien in dieser Frage zu dem Ergebnis gelangt war, daß diese Projekte
109 S.L.Z. Nr. 66 v. 7. 3. 1928: „Die Bemühungen der Saardelegation um die Erhöhung
der Sozialversicherung“; S.L.Z. Nr. 67 v. 8. 3. 1928: „Die Saardelegierten bei Tho¬
mas“; S.Z. Nr. 68 v. 8. 3. 1928: „Die Not des Saargebiets“; Volksstimme Nr. 59
v. 9. 3. 1928: „Sozialdemokratische Demarche in Genf“.
110 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 21. 1. 1930; S.D.N. J.O. XI,5 (1930), S. 482 ff.,
im 41. Ber. der Reg.-Kom.; Amtsblatt der Reg.-Kom. 1930, Nr. 195, S. 172 ff.
Hl S.D.N. J.O. XII,6 (1931), S. 992.
H2 Ebenda, XIV,1 (1933), S. 140 f.
1)3 Volksstimme Nr. 45, v. 23. 2. 1931: Stürmischer Aufstieg, Entschließung zur Sozial¬
politik des Parteitags der Sozialdemokraten. S.L.Z. Nr. 145 v. 30. 5. 1927: Ent¬
schließung des Zentrumsparteitages zur Sozialpolitik; Landesrat des Saargeb., Sten.
Ber. v. 14. 4. 1931, S. 60.
114 Dazu besonders: Volksstimme Nr. 45 v. 23. 2. 1932: „Sozialdemokratie und Saar-
Situation, Die Entschließungen unseres Parteitages“, „Entschließung zur Anleihe- und
Arbeitsmarkt-Politik“; Volksstimme Nr. 116 v. 21. 5. 1931: „Bei Curtius“; Landes¬
archiv Saarbrücken, Schneider-Becker-Archiv, Privatpapiere R. Becker, Nr. 136: Hier
Protokoll einer Besprechung zwischen Reg.-Kom. und Landesratsabordnung über
diese Fragen am 14. 7. 1931. Landesrat, Sten. Ber. v. 14. 4. 1931, S. 209.
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