besondere gegen die obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit und das Betriebs¬
rätegesetz. Die Verbindlichkeit der Schiedsgerichtsbarkeit enge Freiheit und
Tätigkeitsbereich der Gewerkschaften ein, und man stehe teilweise diesem
Gesetz bereits kritisch gegenüber90. Über das Betriebsrätegesetz seien die
Urteile sehr verschieden, und man habe noch nicht genügend Erfahrungen
gesammelt.
Die Ausgangsposition zur Beurteilung der strittigen Fragen war in den Peti¬
tionen der Parteien und Gewerkschaften grundsätzlich verschieden von der
Sicht im Memorandum der Regierungskommission. Die Gewerkschaften und
Parteien erhoben Forderungen für die Bevölkerung und kritisierten das
Bestehende als unzureichend, während die Regierungskommission ihre So¬
zial- und Arbeiterpolitik im Rahmen ihrer gesamten Regierungstätigkeit
und ihrer Verantwortung für die Finanzen und die Wirtschaft sah. Die
Saarländer blickten auf das deutsche Vorbild, die Regierungskommission
verglich mit der Situation auch anderer europäischer Länder, insbesondere
der Frankreichs und Englands.
Der Rat griff diese Probleme der inneren Gesetzgebung des Saargebiets nicht
auf, aber die folgenden Jahre brachten laufend Erfolge für die Wünsche der
Saarländer. 1926 wurde nach Raults Rücktritt die Abteilung Sozialversiche¬
rungen Koßmann unterstellt91, die Kosten für die Unterhaltung des Ober¬
bergamtes gingen gemäß dem Wunsch des Landesrats auf die Landeskasse
über92. Die Parteien reichten immer wieder ihre Verbesserungsvorschläge zu
den einzelnen Gebieten der Sozialversicherung ein und machten sie im Lan¬
desrat geltend93. Die Regierungskommission, Abteilung Sozialversicherun¬
gen, arbeitete an Reformen in der Sozialversicherung. Bereits am 1. August
1926 wurde eine große Reform mit wesentlichen Erhöhungen der Gruben¬
renten durchgeführt94.
Entscheidender für die Durchsetzung der saarländischen Wünsche wurde
aber, daß die Parteien und Gewerkschaften sich mit den Verhandlungen im
Saargebiet nicht zufrieden gaben, sondern sich unmittelbar nach Berlin
wandten. Der Landesrat hatte 1925 von der Regierungskommission Ver¬
handlungen mit dem Deutschen Reich wegen der Sozialversicherungen ver¬
langt95. Sie sollten der Angleichung an die deutschen Leistungen und dem
Wiederanschluß an die deutschen Versicherungsträger dienen. Als Röchling
1925 durch seine Bemühungen in Deutschland finanzielle Hilfe für sein
90 Borck, a. a. O., S. 64, gibt eine Übersicht über die erfolgreiche Tätigkeit der unver¬
bindlichen Schlichtungsausschüsse im Saargebiet und folgert daraus, daß viele ehe¬
malige Verfechter der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit ihre Auffassung geändert
hätten.
91 Neuverteilung der Ämter: Amtsblatt der Reg.-Kom. 1926, Nr. 161.
92 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 17. 11. 1925, S. 8; Karius, a. a. O., S. 353.
93 S.L.Z. Nr. 145 v. 30. 5. 1927: Hier berichtete der Landesratsabgeordnete Gärtner auf
dem Parteitag der Zentrumspartei in seinem Referat über die Sozialpolitik, daß die
Zentrumsfraktion allein 11 eigene Eingaben wegen der Sozialversicherung an die
Regierungskommission gemacht habe und mit den anderen Parteien zusammen noch
weitere 19 Eingaben.
94 Ebenda und S.D.N. J.O. V,12 (1926), S. 1606.
95 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 5. 8. 1925, S. 4.
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