und im Dezember 1923 mit der Frage der Streikpostenverordnung, und auch
im Dezember 1923 hielten Branting und Lord Cecil trotz der Ausführungen
Raults an ihrer grundsätzlichen Auffassung fest, daß die Streikpostenver¬
ordnung möglichst bald zurückzuziehen sei55. Angesichts dieser Entwicklung
legte Rault den Gewerkschaftsvertretern in einer Besprechung im Dezember
1923 dar, er werde sich für die Zulassung einer saarländischen Vertretung
beim Internationalen Arbeitsamt einsetzen und das Jahr 1924 werde für die
Saar ein sozialpolitisches Jahr56. Tatsächlich hatte sich Rault auf Grund des
Oktoberbeschlusses am 10. Dezember 1923 an das Internationale Arbeitsamt
gewandt, damit die Frage einer Zulassung des Saargebiets beim Internatio¬
nalen Arbeitsamt geprüft werde57. Die Pläne zur Vertretung des Saargebiets
beim Internationalen Arbeitsamt verwirklichten sich aber nicht. Direktor
Thomas hatte im Einverständnis mit den Franzosen und der Regierungs¬
kommission die Zulassung der Saar mit beratender Stimme vorgeschlagen
und entsprechende Verhandlungen mit den saarländischen Gewerkschafts¬
vertretern geführt58. Gegen diesen Plan hatte das Auswärtige Amt des Deut¬
schen Reiches die schwersten Bedenken, weil es darin die Betonung einer
Quasi-Souveränität des Saargebietes sah und die Gewerkschaften als Teil¬
verbände der Gesamtdeutschen Gewerkschaften bereits beim Internationalen
Arbeitsamt vertreten seien. Deutschland wollte selbstverständlich eine Ver¬
besserung der Lage der saarländischen Arbeiterschaft, fürchtete aber auch für
die Gewerkschaften eine politisch gefährliche Entwicklung durch eine Ver¬
tretung in Genf59. Als die Bedenken des Auswärtigen Amtes den saarlän¬
dischen Gewerkschaftsführern vorgetragen wurden, beugten sich die Christ¬
lichen Gewerkschaften sofort den Gründen des Auswärtigen Amtes, wäh¬
rend die Freien Gewerkschaften sich Bedenkzeit erbaten, da die Lage an der
Saar so schlecht sei, daß unbedingt Mittel und Wege zur Besserung gefunden
werden müßten60. Da Direktor Thomas, dem das Auswärtige Amt seine
Bedenken ebenfalls vortrug, sich diesen Gesichtspunkten nicht anschloß,
wurde die Flaltung der Freien Gewerkschaften entscheidend. Sie forderten
schließlich die Errichtung einer saarländischen Arbeitskammer nach deut¬
schem Vorbild, der die Aufgabe zufallen sollte, die arbeitsrechtliche und
sozialpolitische Situation an der Saar zu überprüfen und Vorschläge zu ihrer
Verbesserung zu entwickeln. In einem zweiten Schritt sollte dann untersucht
werden, wie die Beziehungen zum Internationalen Arbeitsamt zu pflegen
seien61. Damit war der Plan einer selbständigen saarländischen Vertretung
gefallen. Die gesetzliche Entwicklung in den Jahren 1924 und 1925 geriet
aber durch die internationale Aufmerksamkeit, die auch für diese Fragen
durch die genannten Schritte geweckt worden war, in Fluß.
55 S.D.N. J.O. V,2 (1924), S. 352 ff.
56 A.A., a. a. O., II SG 139.
57 Ebenda.
58 Ebenda, außerdem II SG 285, II SG 399.
59 Ebenda.
60 A.A., a. a. O., II SG 399.
61 A.A., a. a. O., II SG 440.
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