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über hinaus haben viele Kommunen ihren Kompetenzspielraum genutzt und sich die Bereiche der Infra¬
strukturplanung, Ver- und Entsorgung, Raumplanung/Bauleitplanung, Sport und Kultur sowie öffentli-
cher Personennahverkehr zu eigen gemacht (MEYERS 1995:67; VANDERMOTTEN & ISTAZ 1995:844).
Wenig Eigenständigkeit besitzen die belgischen Gemeinden jedoch auf dem Finanzsektor (s.u.). Wäh¬
rend beispielsweise deutsche Gemeinden nach Genehmigung ihres Haushaltes durch die Kommunalauf¬
sicht frei über ihr Budget verfugen können, muß eine belgische Gemeinde „selbst nach der Erstellung
des Haushaltes für jede einzelne Ausgabe die Zustimmung der Provinz oder Region, manchmal selbst
der Zentralregierung in Brüssel einholen“ (Gabbe 1992b:94).
4.7.3 Finanzielle Ausstattung der Gemeinden
Die belgischen Gemeinden verfügen kaum über eigene Steuereinnahmen. Lediglich ein sehr geringer
Anteil (6-8,5%) der Einkommensteuer (Impôts des personnes physiques - IPP), ein variabler kommuna¬
ler Hebesatz zur Grundsteuer (.Précompte immobilier - PI) sowie einige Bagatellsteuern fließen in die
Gemeindekassen. Die Gewerbesteuern hingegen werden vom Staat erhoben und erreichen die Gemein¬
den nur indirekt über die Zuweisungen der Regionen. Etwa 40 % der kommunalen Finanzmittel stam¬
men jedoch aus einem zentralen Fonds, dessen Verteilungsschlüssel verständlicherweise ein beliebter
Zankapfel der politischen Auseinandersetzung ist (LEPSZY & WOYKE 1985:22). Die ohnehin einge¬
schränkten Kompetenzen der Gemeinden werden somit zusätzlich durch sehr enge finanzielle Spielräu¬
me bzw. durch eine „Politik des goldenen Zügels“ seitens des Staates beschnitten. Im Jahre 1996 verfüg¬
ten die Gemeinden der Provinz Luxemburg über durchschnittliche Einnahmen von umgerechnet knapp
10 Mio. DM bzw. etwa 1.900 DM pro Einwohner (RÉGION WALLONNE).
4.7.4 Gesetzliche Grundlagen der kommunalen grenzüberschreitenden Kooperation
Ähnlich wie im Großherzogtum Luxemburg sei hier auf die Convention Benelux concernant la co¬
opération transfrontalière des collectivités territoriales verwiesen, die den belgischen Gebietskörper¬
schaften die Basis für eine relativ weitreichende grenzüberschreitende Betätigung liefert (s. Kap. 4.8).
4.8 Multilaterale Abkommen
Im folgenden sollen diejenigen Abkommen erläutert werden, die für die kommunale grenzüberschrei¬
tende Zusammenarbeit von elementarer Bedeutung sind bzw. diese in gewissen Organisationsformen
erst ermöglichen:
4.8.1 Die „Convention Benelux concernant la coopération transfrontalière“
Die Convention Benelux55 trug, ebenso wie das nachfolgend dargestellte Karlsruher Übereinkom¬
men von 1996, den Inhalten des bereits angesprochenen Madrider Abkommens Rechnung, indem sie die
rechtlichen Grundlagen für eine selbständige grenzüberschreitende Kooperation der Gebietskörperschaf¬
ten und öffentlichen Einrichtungen schuf. Sie wurde 1986 von den Benelux-Staaten unterzeichnet,
konnte jedoch - nach einem langwierigen Ratifizierungsprozeß in Belgien - erst zum 1. April 1991 in
Kraft treten (VANHELLEPUTTE 1992:193). Ein Zusatzprotokoll ist derzeit in Vorbereitung (LOUTSCH-
JEMMING 1996:1).
In Belgien gilt das Abkommen für alle Provinzen, Gemeinden, Gemeindeverbände und Zweckver¬
bände, in Luxemburg für alle Gemeinden und Gemeindeverbände sowie lokale öffentliche Einrichtun¬
gen. Dabei ist zu betonen, daß nicht nur grenzanrainende Gebietskörperschaften oder öffentliche Stellen
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Convention Benelux concernant la coopération transfrontalière entre collectivités ou autorités territoriales
du 1er avril 1991