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Dem Senat kommt somit eine zusätzliche Bedeutung als möglicherweise die einflußreichste Interessen¬
vertretung der Kommunen auf nationaler Ebene zu, da er sich weitestgehend aus Bürgermeistern/innen
zusammensetzt, die jedoch in der Regel eher Partikularinteressen ihrer Herkunftsgemeinden denn über¬
greifende kommunale Standpunkte vertreten.
Die Praxis der interkommunalen Kooperation in Frankreich geht auf das Ende des letzten Jahrhun¬
derts zurück. Bereits 1890 wurde die Bildung von Gemeindezweckverbänden (syndicats de communes)
ermöglicht40 41. Seit 1959 existieren folgende institutionalisierte, aber freiwillige Formen der Zusammen¬
arbeit: Die syndicats de communes41 und die Distrikte (districts)42. Die syndicats können einem Zweck
dienen (syndicat intercommunal à vocation unique (SIVU), entspricht dem syndicat de communes von
1890) oder mehreren Zwecken (syndicat intercommunal à vocation multiple (SIVOM)). Zu ihren
klassischen Aufgabenbereichen zählen Trinkwasserversorgung, Schülertransport, Bau und Unterhaltung
der Gemeindestraßen, Hausmüllsammlung und -behandlung, Fremdenverkehr u.a.m. Seit 198843 besteht
zudem die Möglichkeit, daß die Mitgliedsgemeinden der SIVOM frei darüber entscheiden können, an
welchen der gemeinsamen Aktivitäten sie tatsächlich teilnehmen wollen (sog. „syndicats à la carte“).
(ALBRECHT 1995a:77f; CHABANS-DELMAS 1995:91; PERRIN 1994:86ff.)
Die Distrikte sind organisatorische Zusammenschlüsse von Gemeinden, die bis 1970 auf die Verdich¬
tungsräume beschränkt blieben (districts urbains), heute aber auch als districts ruraux im ländlichen
Raum existieren44 45. Ihnen obliegen folgende Aufgaben: Wohnungsbau, Unfallrettung und Brandschutz.
Darüber hinaus sind Distrikte im Bereich des Gewerbeflächenmanagements und der Wirtschaftsförde¬
rung tätig. Zudem haben sie das Recht auf eine fiscalité propre, d.h. die Einbehaltung und Verwaltung
des lokalen Steueraufkommens. ALB RECHT (1995a: 83) konstatiert, daß sich die Distrikte „in der Praxis
sehr stark an die syndicats angenähert“ haben. MENERAULT (1994:496) sieht den Nutzen der Distrikte
vor allem darin, daß sie die Stadt-Umland-Beziehungen kleinerer Städte verbessert und institutionalisiert
haben und gleichzeitig eine Möglichkeit liefern, von höheren Verwaltungsebenen (z.B. DDE) weitgehend
unabhängig zu bleiben: „ces districts sont devenus ‘des collectivités territoriales de fait’ supports, sinon
d'une autonomie communale, du moins d'une autonomie locale, en offrant aux petites villes et aux
communes rurales périphériques les moyens de leur indépendance“.
Eine weitere Form der institutionalisierten Zusammenarbeit französischer Gemeinden stellt der seit
1966 existierende Status der communauté urbaine45 dar, der zunächst den Agglomerationen Lille, Bor¬
deaux, Strasbourg und Lyon zuteil wurde, später auch von Dunkerque, Le Creusot-Montceau-les-
Mines, Cherbourg, Le Mans und Brest beansprucht wurde. Diese Stadtverbände, die regionale Metropo¬
len mit ihren Umlandgemeinden vereinen, haben sich qua Gesetz folgenden Themen zu widmen: Städte¬
bau, ÖPNV, Stadt- und Abwasserreinigung, Hausabfallentsorgung, Straßen und Parkplätzen.
Mit den syndicats d'agglomération nouvelle (SAN) existiert seit 198346 ein Sondertypus von inter¬
kommunalem Zweckverband, der speziell für neue Zentren der Verstädterung eingerichtet wurde. So
zählen zu den derzeit neun französischen SAN auch einige villes nouvelles wie Cergy-Pontoise oder
Mame-la-Vallée (CHABAN-DELMAS 1995:91).
Mit der sogenannten „Loi Joxe/Marchand“47 vom 6. Februar 1992 wurden weitreichende Neuerun¬
gen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Gemeinden geschaffen. Hierzu zählen die communautés
40 Loi du 22 mars 1890 sur les syndicats de communes
41 Ordonnance 59-29 du 5 janvier 1959
42 Ordonnance 59-30 du 5 janvier 1959
43 Loi d'amélioration de la décentralisation du 5 janvier 1988
44 Loi du 31 décembre 1970 sur la gestion municipale et des libertés communales
45 Loi du 31 décembre 1966 sur les communautés urbaines
46 Loi du 3 juillet 1983 sur les syndicats d'agglomération nouvelle
47 Loi d'orientation n° 92-125 du 6 février 1992 relative à l'administration territoriale de la République