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zu finden. Diese würde eine Identifikation der Bevölkerung mit diesem „künstlichen“ Raumgebilde, aber
auch eine effizientere Bündelung der unterschiedlichsten Aktivitäten erleichtern (Synergieeffekte). Statt-
dessen hat sich der euphemistische Leitbegriff der „variablen Geometrie“ durchgesetzt, der in fast op¬
portunistischer Weise die jeweilige Abgrenzung von „Saar-Lor-Lux“ immer danach ausrichtet, von
welchem Sektor bzw. welcher Arbeitsebene die Rede ist. Das heißt, daß mit der Vielzahl von Koopera¬
tionsformen auch eine fast ebenso große Vielzahl von mögüchen Saar-Lor-Lux-Territorien einhergeht
(s. SCHULZ & BRÜCHER 1997:46f.). In diesem Zusammenhang wirft MOLL die Frage auf: „Ist ‘¿AAR-
LOR-LUX-usw.’ nur das Trugbild einer Raumeinheit, mit der sich nicht konkret operieren läßt?“, denn
„selbst verwaltungsmäßig gesehen besteht [dieser Raum] nicht im Sinne eines verfaßten Gebietes [...],
sondern er ist offensichtlich nur ein Referenzraum, der es zuläßt, je nach Bedarf abgegrenzt, bezeichnet
und verstanden zu werden“ (MOLL 1991:83). Die fünf bekanntesten Abgrenzungen seien im folgenden
kurz dargestellt.
Wörtlich genommen, umfaßt Saar-Lor-Lux das Saarland, die französische Region Lothringen
(Lorraine) sowie das Großherzogtum Luxemburg (Abb. 10a). Die seit 1971 bestehende Regionalkom¬
mission Saar-Lor-Lux-Trier/Westpfalz, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der staatlichen Ver¬
waltungen der Teilräume konstituiert, fügt diesem Entwurf den Westen von Rheinland-Pfalz hinzu,
nämlich den Regierungsbezirk Trier, den Landkreis Birkenfeld sowie die Planungsregion Westpfalz
(Abb. 10b). Der Interregionale Parlamentarierrat (IPR), der seit 1986 dem Austausch zwischen Abge¬
ordneten der Parlamente in den Teilräumen dient, liefert die großzügigste Definition (Abb. 10c), indem
er die gesamte Region Wallonien und ganz Rheinland-Pfalz in die „Großregion“ integriert. Die vierte
Konzeption (Abb. lOd) umfaßt die Fördergebiete der Gemeinschaftsinitiative INTERREG II, von der
bereits die Rede war.
Unabhängig davon entwickelten Metzer und Saarbrücker Geographen (BRÜCHER/QUASTEN/RETIEL
1982) einen eigenen Vorschlag, der den Zuständigkeitsbereich der Regionalkommission um die belgi¬
sche Provinz Luxemburg ergänzt (Abb. 11). Dies geschah aus historischen wie aus räumlich-
strukturellen Gründen: Die Provinz gehörte bis 1839 zum Großherzogtum Luxemburg und ist diesem
heute noch sprachlich und kulturell sehr eng verbunden. Vor allem der südliche Teil der Provinz teilt
aber auch die schwerindustrielle Vergangenheit und ihre Folgeprobleme mit seinen Nachbarräumen (vgl.
BRÜCHER 1989).
Alle diese fünf Konzeptionen haben den Nachteil, daß sie sich - aus pragmatischen Gründen - an
existierenden Verwaltungsgrenzen orientieren, die nur selten den tatsächlichen strukturellen Verflech¬
tungen des Raumes entsprechen. Besonders deutlich wird dies am Beispiel des EPR-Territoriums, wo auf
der Suche nach äquivalenten Partnern die gesamte Region Wallonien sowie ein Bundesland Aufnahme
fanden, obwohl beispielsweise die östlichen Teile von Rheinland-Pfalz eindeutig anderen Großregionen,
wie etwa dem Rhein-Main-Gebiet, zuzuordnen sind. Auch die Zugehörigkeit der südlichen Region
Lothringen, insbesondere des Département Vosges, erscheint hier problematisch. MOLL (1994) spricht
in diesem Zusammenhang zu Recht von „territorialem Ballast“, den der Saar-Lor-Lux-Raum mit sich
herumtrage. Auch eine vom Saarbrücker ISOPLAN-Institut erarbeitete Studie zur Vorbereitung des
zweiten „Saar-Lor-Lux-Gipfels“ (s.u.) sieht in dem Abgrenzungsproblem ein ,4n vielerlei Hinsicht fol¬
genreiches ‘Hindernis’: [...] Ohne eine klare, unter Umständen auch zweckgebunden unterschiedliche,
aber einvemehmlich getroffene regionale Abgrenzung bleibt die Idee einer ‘Saar-Lor-Lux-Region’, - die
Vision einer eigenen Identität nach außen und vor allem nach innen - eine Chimäre, Koordinationsbe¬
mühungen verlaufen sich in ständig wechselnden Kompetenzproblemen, [...] Vergleiche, Planung und
Steuerung von Entwicklungsprozessen werden praktisch fast unmöglich gemacht“ (ISOPLAN 1996:6).
Es mangelt an einer einheitlichen Terminologie ebenso wie an einer einvemehmlichen Grenzziehung.
Ähnlich sieht es GONIN (1994:63): „Un développement intégré s "inscrivant sur une base territoriale
clairement identifiée n'est pas à géométrie variable; ses limites ne changent pas en fonction des sources
de financement et des intentions des acteurs politiques et sociaux, il résulte d'une bonne articulation des
compétences, y compris territoriales“.