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Bassin Lorrain (HBL), einigen Bergbauzulieferem sowie dem oberschlesischen Bergbau in Kattowitz
initiieren (Saarland 1992:9).
2.2.4 Bewertung des Einflusses der Europäischen Union
Wie gezeigt wurde, nimmt die Europäische Union im Rahmen ihrer Förderpolitik maßgeblichen Ein¬
fluß auf die Raumentwicklung in Europa. Im Sinne einer Stärkung der Kohärenz an ihren Binnengren¬
zen gilt den Grenzräumen dabei ein besonderes Augenmerk. Programme wie die Gemeinschaftsinitiative
INTERREG sowie die Leitgedanken des Raumordnungsdokuments Europa 2000+ spiegeln die politi¬
sche Entschlossenheit wider, diese „Nahtstellen“ besonders zu fördern (EUROPÄISCHE KOMMISSION
1995e). In ihnen sieht TRÄNHARDT (1993:74) sogar die Hauptnutznießer der europäischen Integration:
„Die Grenzregionen, von denen viele in der Zeit der Konflikte zwischen den Nationalstaaten eher unter
militärischen Gesichtspunkten betrachtet worden waren und wegen der rigiden Abschottung und der
Undurchdringlichkeit der Grenzen große wirtschaftliche Nachteile hinnehmen mußten, können als die
eigentlichen Gewinner der europäischen Integration bezeichnet werden“.
Die Teilfinanzierung grenzüberschreitender Projekte durch INTERREG schlägt sich nicht nur mate¬
riell in den Maßnahmen selbst nieder, sondern impliziert(e) auch die Schaffung neuer, grenzüberschrei¬
tender Strukturen, auf die bei der Behandlung der Fallbeispiele in besonderer Weise einzugehen sein
wird: „Die Verwaltung der INTERREG-Gelder zwingt dazu, den Rahmen der nationalen Rechtsordnung
zu durchbrechen und neue Instrumente zur Verwaltung dieser Subventionen der Gemeinschaft zu ent¬
wickeln. Zwar sind die nationalen Behörden mit dem Instrument der EG-Fonds seit langem bestens ver¬
traut. Seit der Reform der Strukturfonds liegt aber eine ganz neue Anforderung vor, und zwar die Be¬
nennung einer einzigen Abwicklungsstelle pro grenzüberschreitendem Programm." (AUTEXIER
1993:82). Die Forderung der EU-Kommission nach einem „rechtsfähigen Mittelempfänger“ führte in
einigen Grenzregionen dazu, daß „eher lose Arbeitsgemeinschaften in stärker institutionalisierte Koope¬
rationsformen umgewandelt wurden“ (SCHABHÜSER 1993:663). So konstatiert auch die Region Loth¬
ringen: „La préparation de Linitiative INTERREG II a mobilisé les esprits, même si les moyens affectés
s'avèrent en deçà des espérances“ (PRÉFECTURE DE LA RÉGION LORRAINE 1994:99). Hinzu kommt, daß
die EU-Förderung nur anteilig erfolgt, nationale, regionale und lokale Partner sind also zur Kofinanzie¬
rung gezwungen, wodurch die „vertikale und horizontale Abstimmung über grenzübergreifende Ziele
und Projekte zugenommen“ hat (SCHABHÜSER 1993:663). Die Verfügbarkeit umfangreicher Finanzmit¬
tel und damit verbundene Verteilungsstreitigkeiten haben zudem auch die politische Ebene wachgerüttelt
und „die Diskussion über die Bildung von Euregio-Parlamenten angefacht“ (a.a.O.:664).
Der deutsche Städtetag wertet die Förderpolitik der EU weniger positiv, da der in Deutschland
„weitgehend erreichte Abbau von Mischfinanzierungen und der Tröpfchen Wirtschaft [...] durch die EG
unterlaufen werden“ könnte. Dies könne „weittragende Auswirkungen haben, weil damit zwangsläufig
eine bürokratische Gängelung kommunalen Handelns verbunden“ sei. Zudem stünde „gerade bei der
EG-Förderung der Verwaltungs- und Politikaufwand zur Erlangung von Fördermitteln in den meisten
Fällen in keinem vertretbaren Verhältnis zur dadurch eintretenden Verbesserung der Finanzlage der
Stadt“ (ANONYMOUS 1993:391). Ähnliche Klagen sind von Kommunalpolitikern aus Rheinland-Pfalz
zu hören, wonach das Land seinen Anteil an Mischfmanzierungen in dem Maße senke, wie EU-Gelder
verfügbar werden. Es wird somit eine heimliche Refinanzierung des Landeshaushaltes konstatiert, die
nicht im Sinne der europäischen Programme sein kann. Diesen Argumenten widerspricht die Tatsache,
daß sich besagte Förderprogramme einer sehr großen Beliebtheit seitens der Kommunen erfreuen.
Alles in allem können der europäischen Raumentwicklungs- und Förderpolitik wertvolle Impulse an¬
gerechnet werden, die die Binnengrenzen überwinden helfen. Durch finanzielle Anreize werden Aktivitä¬
ten initiiert, die ohne dieses „Zuckerbrot“ nicht oder noch nicht ergriffen worden wären. Als Konse¬
quenz wird die Reform nationaler Rechtssysteme im Hinblick auf eine Ausweitung der
„außenpolitischen“ Kompetenzen regionaler und lokaler Gebietskörperschaften notwendig, um die