Full text: Das Mainzer Zunftwesen und die französische Herrschaft

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Einwohner“. Wieviele Handwerker in Mainz zurückgeblieben 
sind, ist nicht zu errechnen. Doch ist die Annahme berechtigt, 
dass manche Handwerksberufe überhaupt nicht mehr in Mainz 
vertreten waren, und dass von den Schustern, Schneidern, 
Zimmerleuten, Schlossern nur ein Bruchteil zu bleiben ge¬ 
zwungen wurde. Denn die Verordnung des Kriegsrates er¬ 
schien reichlich spät. 
Trotz der fortgesetzten Ausweisungen und Auswande¬ 
rungen gestaltete sich die wirtschaftliche Lage innerhalb der 
Stadt immer trauriger. Die Preise der Lebensmittel stiegen 
immer mehr, und an die Stelle der freien Preisgestaltung trat 
die obrigkeitliche Preisfestsetzung. Das Brot, später auch 
andere Nahrungsmittel, wurden rationiert und die herrschende 
Geldknappheit durch Assignatenschöpfung beseitigt. Mit 
diesen Massnahmen waren jedoch die Gefahren einer Hungers¬ 
not nicht abgewandt, nur die Übergabe von Mainz an die 
Deutschen konnte Rettung bringen. 
In welcher Weise sich das gewerbliche Leben nach der 
Zunftauflösung vollzog, ergibt sich aus einem Gesuch, das am 
7. Juli 1794 90 Mainzer Bürger, darunter der Kapuziner- 
Guardian Pater Honoratus Wagenmüller, an die kurfürstliche 
Landesregierung richtete, um zu erreichen, dass der Prokura¬ 
tor und spätere Maire Macke „wenigstens seiner kränklichen 
Umstände willen aus dem Arrest in sein Haus zu seiner Familie 
versetzt“ werde. Fünf Gründe werden zugunsten des ver¬ 
hafteten Macke angeführt. Der zweite davon lautet: 
„War er derjenige, welcher bei aufgehobenen Zünften den¬ 
selben ihre Zusammenkünfte gestattete und sie bei ihren Ge¬ 
rechtsamen erhielt.“254) Da alle Versammlungen verboten 
waren, so fanden diese Zunftbesprechungen im geheimen, 
vielleicht bei einem Brudermeister, statt. „Alle zünftigen 
Handlungen“, wie Aufdingen, Lossprechen, Aufgabe des 
Meisterstücks, „waren von den Franzosen schärfstens unter¬ 
sagt.“ Aus diesem Grunde hatte man sich geeinigt, dass alle 
Lehrlinge und Gesellen bis zum endgültigen Friedensschlüsse 
warten sollten.255) Die Zunftaspiranten erklärten sich jedoch 
mit diesem Beschlüsse nicht einverstanden und bestanden auf 
Aufnahme in die Zunft. Die Meister gaben ihrem Drängen 
schliesslich nach und verlangten unter Berufung auf die Zunft¬ 
artikel „die Verfertigung des vorgeschriebenen nicht von der 
Obrigkeit genehmigten Meisterstücks“. Die seither von der 
Obrigkeit beaufsichtigten Zünfte kehrten damit wieder zu der 
alten autonomen Zunftform zurück, nur mit dem Unterschiede, 
254) Bockenheimer: F. K. Macke S. 50 ff. 
255) Undatiertes Aktenstück der Zimmerleutezunft.
	        
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