Full text: Logik

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Die Lehre vom Urteil 
oder falsche bezeichnen hört, so scheint es zwar, als ob die Sätze schon Urteile 
wären, da, wie Aristoteles bemerkt hat, die Urteile dadurch charakterisiert 
sind, daß sie wahr oder falsch sein können. Aber bei genauerer Betrachtung 
zeigt sich, daß die Sätze nur in übertragenem Sinne wahr oder falsch genannt 
werden, nämlich dann, wenn die in ihnen liegenden Urteile wahr oder falsch 
sind, und daß die Sätze für sich nur sprachlich entweder richtig oder falsch 
gebildet sein können, was für die Wahrheit oder Falschheit der zugehörigen 
Urteile noch gar nichts ausmacht. 
Weil also die Behauptungssätze von den zugehörigen Urteilen wesentlich 
verschieden sind, darf die logische Untersuchung der Urteile nicht nur 
nicht an den Sätzen haftenbleiben, sondern sie darf auch nicht ohne weiteres 
von der Beschaffenheit und dem Aufbau der Sätze auf die Beschaffenheit und 
den Aufbau der Urteile schließen. 
3. Die Beziehung zwischen Urteil und Behauptungssatz 
Die Beziehung, die zwischen einem Behauptungssatz und dem in ihm 
ausgedrückten Urteil besteht, ist keine umkehrbare, d. h. der Satz bringt wohl 
das Urteil, aber nicht das Urteil den Satz zum Ausdruck. Satz und Urteil 
nehmen in dieser Beziehung ganz verschiedene Stellungen ein. Der Satz ist 
gleichsam das Äußere, das Urteil das Innere, das in dem Äußeren sich aus¬ 
prägt und dadurch das an sich gedankenleere Äußere gedanklich beseelt. 
Es war daher eine völlige Verkennung des eigenartigen Verhältnisses, das 
zwischen dem Satz und dem Urteil besteht, als man diese Beziehung als eine 
bloße »Assoziation« erklärte. Denn in einer solchen Assoziation haben die 
verbundenen Glieder eine wesentlich gleichartige Stellung, die nur die Unter¬ 
schiede des Nebeneinander und Nacheinander zeigt. Gewiß sind die Urteile 
mit den sprachlichen Sätzen nur im Bewußtsein denkender Wesen verbunden, 
da nur denkende Wesen Urteile bilden können. Und gewiß führt das Hören 
bestimmter Sätze die entsprechenden Urteile in das Bewußtsein des hörenden 
und denkenden Wesens ein. Will man also mit der Behauptung, zwischen den 
Sätzen und den Urteilen bestehe eine Assoziation, nicht viel anderes als dies 
besagen, so ist die Behauptung allerdings richtig. Aber damit ist das Wesen 
der Ausdrucksbeziehung zwischen dem Behauptungssatz und dem zugehöri¬ 
gen Urteil durchaus nicht erschöpfend bestimmt. Die Ausdrucksbeziehung 
ist eben mehr als eine bloße Assoziation. Ein bestimmter Satz kann z. B. 
hartnäckig an einen Gedanken erinnern, der gar nicht in ihm ausgedrückt 
ist und der dadurch auch niemals zum Sinn des Satzes selbst wird. Der Ge¬
	        
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