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Einleitung
können, wie es der logische Satz vom Widerspruch behauptet, das gründet
sich doch eben auf die psychologisch festzustellende Tatsache, daß der Mensch
derartige Urteile nicht beide für wahr halten kann. Ebenso hat etwa die
logische Einsicht, daß zur Vollständigkeit eines selbständigen Gedankens
notwendig bestimmte Gedankenelemente, z. B. ein Subjekts begriff gehört,
doch nur darin ihren zureichenden Grund, daß eben der Mensch ohne solche
Gedankenelemente, also etwa ohne einen Subjektsbegriff, unmöglich einen
vollständigen Gedanken vollziehen kann. Daß nur bestimmtbeschaffene Ge¬
danken sinnvoll, andere dagegen notwendig sinnlos sind, das liegt eben
daran, daß der Mensch mit den ersteren wohl einen Sinn, mit den anderen
dagegen gar keinen Sinn zu verbinden vermag. Wie in diesen Einzelfällen,
so zeigt sich überall die logische Erkenntnis auf psychologische Feststellun¬
gen gegründet. Darauf weise ja auch schon die Methode hin, durch die man
die Wahrheit der logischen Sätze feststelle. Wenn man erkennen wolle, ob
der Satz vom Widerspruch wirklich Gültigkeit habe, so mache man doch
zunächst den psychologischen Versuch, zwei einander widersprechende Urteile
beide für wahr zu halten. Man stelle fest, daß dieser Versuch, so oft man ihn
auch unternimmt, trotz aller aufgewandten Bemühung des eigenen Denkens
mißlinge, daß man also zunächst für seine eigene Person unmöglich zwei ein¬
ander widersprechende Urteile, welchen Inhalt sie im besonderen auch
haben mögen, beide gleichzeitig für wahr halten könne. Dann gehe man
dazu über, auch bei anderen Menschen diese Versuche anzustellen, also sie
auf Aufforderung hin zu wiederholten Malen versuchen zu lassen, irgend¬
welche einander widersprechenden Urteile beide für wahr zu halten. Man
konstatiere ausnahmslos, wenigstens solange man geistesgesunde, genügend
erwachsene und zu psychologischen Versuchen geeignete Menschen befrage,
daß es ihnen allen unmöglich sei, einander widersprechende Urteile beide
gleichzeitig für wahr zu halten. Dann erst, nach einer solchen psychologi¬
schen Untersuchung über das menschliche Denken, aber dann auch auf ge¬
nügender Erkenntnisgrundlage, könne und dürfe man den logischen Satz
vom Widerspruch für wirklich gültig erklären.
Um nun die Verwirrung aufzudecken, die solchen und ähnlichen psycho-
logistischen Behauptungen zugrunde liegt, muß man zunächst strenge fest-
halten, was man denn eigentlich durch die psychologischen Erkenntnisse be¬
gründen will, d. h. es sind die logischen Sätze, um deren vermeintliche psy¬
chologische Begründung es sich handelt, in ihrem eigentümlichen Sinn und
ihrem Charakter unverändert zu belassen. So ist zunächst zu beachten, daß
z. B. der logische Satz vom Widerspruch sich auf eine bestimmte Art von