A. DIE LEHRE VON DEN UNMITTELBAREN SCHLÜSSEN
Die unmittelbaren Schlüsse sind Folgerungen eines Urteils aus einem ande¬
ren Urteil. Sie bestehen also aus zwei verschiedenen Urteilen und einem
Folgerungsbegriff, der das eine der beiden Urteile aus dem anderen folgert.
Die beiden Urteile, die durch den Folgerungsbegriff verbunden sind, haben
durch den Sinn dieses Begriffs eine verschiedene Stellung in dem Schluß;
das eine ist das Vorausgesetzte, die Prämisse, das andere das Gefolgerte, die
Konklusio. Die Prämisse macht für sich den Anspruch auf Wahrheit und
hält diesen Anspruch auch im Schluß aufrecht. Die Konklusio macht eben¬
falls den Anspruch auf Wahrheit. Dieser Anspruch wird aber in dem Schluß
durch den Folgerungsbegriff abgeleitet aus dem als erfüllt vorausgesetzten
Anspruch der Prämisse. Zugleich macht der Folgerungsbegriff den Anspruch
auf Folgerichtigkeit seiner Folgerung. Der Folgerungsbegriff übt also die
dreifache Funktion aus: er ordnet, er folgert und er macht Anspruch auf
Folgerichtigkeit. Nehmen wir als Formeln für die beiden Urteile »S ist P«
und »Q ist R«, so ist das Gebilde »S ist P, also Q ist R« die allgemeinste
Formel für einen unmittelbaren Schluß.
Nicht jeder Schluß, der den angegebenen Aufbau zeigt, ist jedoch ein
folgerichtiger. Es besteht daher die Frage, wie muß ein unmittelbarer Schluß
beschaffen sein, damit er folgerichtig ist. Wenn jedes der beiden Urteile des
Schlusses für sich wahr ist, so genügt dies nicht, um den Schluß folgerichtig
zu machen. Denn es lassen sich irgend zwei wahre Urteile durch einen Fol¬
gerungsbegriff zu einem solchen Ganzen vereinigen, das zwar die Form eines
unmittelbaren Schlusses hat, das aber in den meisten Fällen keine Folge¬
richtigkeit besitzt. Der Schluß »Gold ist gelb, also ist Silber weiß« besteht
aus zwei wahren Urteilen und einem Folgerungsbegriff; er ist also ein un¬
mittelbarer Schluß, aber ohne jede Folgerichtigkeit. Offenbar deshalb, weil
gar kein Zusammenhang zwischen den Behauptungen der beiden Urteile
besteht.
Nun garantiert aber nicht etwa jeder beliebige Zusammenhang zwischen
zwei Urteilen die Folgerichtigkeit des aus ihnen gebildeten Schlusses. Haben
die beiden Urteile z. B. denselben Subjektsbegriff, so stehen sie zwar in Zu¬
sammenhang, aber sie vermögen daraufhin allein noch keinen folgerichtigen
Schluß zu bilden. So fehlt dem Schluß »Gold ist gelb, also ist Gold ein
Metall« trotz der Identität der Subjektsbegriffe seiner beiden Urteile jede
Folgerichtigkeit. Nur bestimmtgeartete Zusammenhänge zwischen seinen
Urteilen können also dem unmittelbaren Schluß seine Folgerichtigkeit