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Die Lehre vom Urteil
Naturwissenschaften, sondern auch die psychologischen, die sozialen und die
kulturellen Wissenschaften, schalten in ihren Urteilen die Zeitbestimmung
aus. Damit ist der genügende Beweis erbracht, daß zum Wesen des Urteils
nicht notwendig eine Zeitbestimmung gehört.
2. Zusammenfassende Bestimmung des Urteils überhaupt. Die bisherigen
Ergebnisse unserer Untersuchung des Urteils können wir in Kürze so zu¬
sammenfassen, daß wir zugleich alle möglichen bisher betrachteten Varia¬
tionen des Urteils darin aufnehmen. Wir erhalten dann folgende Fassung:
Ein Urteil ist eine sinnvolle, entfaltete Einheit von mindestens drei Be¬
griffen, in der ein Subjektsbegriff irgend
Quantität
Qualität
Modalität
Relation
einen oder mehrere, und zwar
einen einzelnen oder einige oder alle Gegenstände eines be¬
stimmten Umkreises, und zwar
individuelle oder Artgegenstände, und bei jedem dieser ent¬
weder
solitäre oder Kollektivgegenstände
zu unterliegenden Subjektsgegenständen macht; in der dann
weiter ein Kopulabegriff etwas
auf den Subjektsgegenstand hinbezieht, und zwar entweder
positiv, hinzusetzend, oder negativ,
abspreizend, und zugleich in einer zweiten, dieser Hinbezie¬
hungsfunktion überlegten Behauptungsfunktion
mit bestimmten, entweder abgedämpftem oder vollem oder
verstärktem logischem Gewicht
entweder bedingungslos oder bedingt, und in letzterem Falle
wieder entweder hypothetisch oder disjunktiv
das durch den Prädikatsbegriff Gemeinte, und zwar ent¬
weder
Prädikamente
!
Behauptung
und Anspruch -
auf Wahrheit
ein »Was« oder ein »Wie« oder eine »Seinsart« oder irgend¬
eine Relationsbestimmtheit,
nachdem diese auf den unterliegenden Subjektsgegenstand
positiv oder negativ hinbezogen sind,
behauptet und damit den Anspruch auf Wahrheit des Urteils
selbst und aller in ihm implizierten Urteile macht.