Die sogenannte Relation des Urteils
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rem Beispielsatz eine solche Behauptung zum Ausdruck bringen will. Aber
im Normalfall dient doch jener Satz nicht dazu, etwas über Hypothesen und
deren notwendigen Zusammenhang mitzuteilen, sondern er drückt ein Urteil
über diese Flüssigkeit aus, die selbst natürlich keine Hypothese ist. Jedenfalls
braucht zum vollen Verständnis des gewöhnlichen Sinnes jenes Satzes der
Blick sich keiner Art von Hypothese zuzuwenden und sie als Subjektsgegen¬
stand des Urteils festzuhalten. Im Übergang von dem einfach verstandenen
Sinn jenes Satzes zu jener seiner vermeintlichen Ausdeutung muß man den
Subjektsgegenstand mit einem anderen vertauschen, nämlich »diese Flüssig¬
keit« mit der »Hypothese, daß diese Flüssigkeit gefrieren wird«. Man muß
außerdem den Prädikatsbegriff mit einem anderen vertauschen, nämlich
den Begriff des »Gefrierens« mit dem Begriff »notwendige Folge der Hypo¬
these, daß die Temperatur hier unter —18 Grad sinken wird«. Außerdem
werden dadurch für das hypothetische Urteil alle die ihm sonst möglichen
Sachverhalte eingeschränkt auf die einzige Art von Relationssachverhalten,
die einen notwendigen Zusammenhang von Grund und Folge zwischen zwei
Hypothesen enthält. Während das obige Urteil eine bedingte Behauptung
war, fehlt in der vermeintlichen Ausdeutung jede Bedingtheit der Behaup¬
tung, denn es wird darin ja unbedingt behauptet, daß die eine Hypothese
die notwendige Folge der anderen sei. Daß in diesem Falle eine Hypothese
den Subjektsgegenstand bildet, während in anderen Fällen vielleicht ein
realer Vorgang es ist, von dem behauptet wird, er sei die notwendige Folge
eines anderen Vorganges, rechtfertigt es doch nicht, dieses Urteil als ein
Urteil besonderer Art, also als ein hypothetisches Urteil zu erklären. Auch
hier also dieselbe Erscheinung: die vermeintliche Ausdeutung des hypothe¬
tischen Urteils ist in Wahrheit eine Umdeutung desselben und zugleich eine
Vernichtung des wesentlichen hypothetischen Charakters.
Lassen wir nun in einem Urteil jede Bedingtheit der Behauptung fallen,
lassen wir die Behauptungsfunktion stattfinden ohne jede Relation zu irgend¬
einer Bedingung, über deren Erfülltsein noch Ungewißheit besteht, lassen
wir sie also unbedingt oder absolut vollzogen sein, so erhalten wir das so¬
genannte kategorische Urteil, dessen Formel traditionell das »S ist P« ist.
Obgleich diese Formel den obigen Formeln für das Urteil überhaupt, für
das positive Urteil und für das assertorische Urteil genau gleich ist, so be¬
deutet sie doch in den verschiedenen Fällen sehr Verschiedenes. Hier als
allgemeine Formel für das kategorische Urteil ist die in der Formel für das
Urteil überhaupt noch undifferenziert zu denkende Relation der Behauptung
schon entschieden zu einer kategorischen. Gegenüber dem positiven Urteil