Full text: Logik

104 
Die Lehre vom Urteil 
frieren, wenn hier die Temperatur unter —18 Grad sinkt« den Sinn eines 
Urteils verbindet, in welchem behauptet wird, der Sachverhalt des Gefrierens 
dieser Flüssigkeit sei die notwendige Folge des Sachverhaltes des Sinkens 
der Temperatur an dieser Stelle unter —18 Grad. Aber es gibt noch einen 
anderen Sinn jenes Satzes, und zwar den Normalsinn, der aber von jener 
Behauptung wesentlich verschieden ist. In diesem Normalsinn ist der Sub¬ 
jektsgegenstand des Urteils diese Flüssigkeit, also der Subjektsbegriff der 
Begriff »diese Flüssigkeit«, und der Prädikatsbegriff ist der Begriff »ge¬ 
frieren«. Dagegen ist in jener zweiten Behauptung der Subjektsgegenstand 
der Sachverhalt des Gefrierens dieser Flüssigkeit, also der Subjektsbegriff 
der Begriff dieses Sachverhalts, und der Prädikatsbegriff ist der Begriff der 
notwendigen Folge des Sinkens der Temperatur unter —18 Grad. Die beiden 
in jener Deutung identifizierten Urteile haben also verschiedene Subjekts- 
Prädikatsbegriffe, sie sind also bedeutungsverschiedene Urteile. In beiden 
Urteilen werden auch verschiedene Sachverhalte gesetzt. In dem ersten näm¬ 
lich ein Attributionssachverhalt, das Gefrieren der Flüssigkeit, im zweiten 
dagegen ein Relationssachverhalt, die notwendige Folge des einen Sach¬ 
verhalts von dem anderen. Wir haben oben gesehen, daß im hypothetischen 
Urteil statt des in unserem Beispiel gesetzten Attributionssachverhaltes auch 
jede beliebige andere Art von Sachverhalt gesetzt werden kann. Wäre aber 
jene Ausdeutung des hypothetischen Urteils im Rechte, so könnte das hypo¬ 
thetische Urteil immer nur diese eine und einzige Art des Relationssach¬ 
verhaltes setzen. Dies würde aber eine ganz unberechtigte Einschränkung der 
dem hypothetischen Urteil offenstehenden Sachverhaltsarten sein. Außerdem 
aber wird durch jene Umdeutung des hypothetischen Urteils der hypothe¬ 
tische Charakter desselben ja vollständig zerstört. Denn das Urteil, das be¬ 
hauptet, der eine Sachverhalt sei die notwendige Folge des anderen Sach¬ 
verhaltes, enthält gar nichts Hypothetisches mehr, sondern ein kategorisches 
Urteil im echten Sinne. Jene vermeintliche Ausdeutung des hypothetischen 
Urteils ist also nicht nur eine Umdeutung, sondern zugleich eine Vernichtung 
des eigentlichen Wesens des hypothetischen Urteils. 
Es ändert sich nicht viel an dieser Umdeutung, wenn man mit Chr. Sig- 
wart statt der Sachverhalte im hypothetischen Urteil gewisse Hypothesen 
in das Verhältnis von Grund und Folge gesetzt sein läßt. Der Sinn unseres 
obigen Beispielurteils wäre danach gegeben in der Behauptung: »Die Hypo¬ 
these, daß diese Flüssigkeit gefrieren wird, ist die notwendige Folge der 
Hypothese, daß hier die Temperatur unter —18 Grad sinken wird«. Es ist 
nun gewiß nicht ausgeschlossen, daß jemand gelegentlich einmal mit unse¬
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.