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!. Typische Einwände gegen die Metaphysik
physik; sie ist außerdem selber metaphysikgetragen, metaphysik¬
erfüllt. Sie bekämpft mit durchschlagendem Erfolge einen unhalt¬
baren Geltungsanspruch der Metaphysik und eine für sie unheil¬
volle Verbindung. Sie hat unendlich viel dazu beigetragen, die
Eigenwüchsigkeit und das Eigenrecht der Spekulation erkennen zu
lassen und zu erhärten. Sie gehört nicht in die Gruppen von Be¬
anstandungen der Metaphysik als solcher. Und deshalb haben wir
sie bei der nun folgenden Darstellung von typischen Einwänden nicht
berücksichtigt. Wir mußten unsere Auffassung und Beurteilung der
kantischen Erkenntnistheorie klarlegen, um nicht einer Unter¬
lassungssünde geziehen zu werden und um ferner nicht auf die Vor¬
haltung zu stoßen, daß wir, indem wir die Zulänglichkeit der ge¬
wöhnlichen neukantischen Form der Erkenntnistheorie bestreiten,
damit zugleich die Gültigkeit der originalen Form der Erkenntnis¬
theorie der Metaphysik, wie sie von Kant vertreten wird, in Abrede
stellen. Kants Kritik der Metaphysik ist also ein Kapitel in dem
System der Metaphysik selber. Ihre Erwähnung und Auswertung
darf nicht da vorgenommen werden, wo wir uns die Typen von Ein¬
wendungen vergegenwärtigen wollen, sondern da, wo wir „Kritik“
der Metaphysik in dem positiven Sinne einer Grundlegung der Meta¬
physik aus dem Geiste verstehender Würdigung unternehmen, d. h.
aus dem Geiste der Dialektik. —
Und aus dem Geist der Dialektik hat auch Kant die Metaphysik
verstanden und abgeleitet. Sie gilt ihm als ein Gebilde dialektischer
Natur, in dem verderbliche und aufbauende, kranke und gesunde
Züge in einer eigentümlichen Verschlingung durcheinandergehen.
Nach der einen Seite hat die Metaphysik sich mit einem irreführenden
Schein umkleidet, durch den sie sich ein Ansehen und eine Stellung
gegeben hat, die doch nur „erschlichen“ waren. Die Metaphysik
spielte auf Grund dieses Scheines, der nur eine Täuschung und keine
Wahrheit und Realität war, eine Rolle, deren Unhaltbarkeit und
Tricknatur auf die Dauer nicht verborgen bleiben konnten. Wird
dieser sozusagen unredliche Schein von ihr abgestreift, dann tritt
die Wahrheit eines objektiven Scheines zutage, und wir
können von einem „transzendentalen“ Schein sprechen, der der
Metaphysik „unwiderleglich“ anhaftet. Die Täuschung eines Schei¬
nes wird durchschaut, indem die Wahrheit des Scheines erschaut
wird. Der Schein, auf dem die Metaphysik beruht, und der sie
umgibt, ist, sobald wir einsehen, was er ist, und sobald von diesem
Schein ein falscher Anschein ferngehalten wird, keine irreführende