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I. Typische Einwände gegen die Metaphysik
geschoben, als die Fähigkeit zu metaphysischer Gedankenbildung
reicht. Also sind sie nicht ein für allemal festzulegen, etwa durch
die übliche erkenntnistheoretische Kritik, deren Geltung höchstens
bis zu den Vorhöfen der Metaphysik reicht, nur bis dahin, wo die
Verbindung der Metaphysik mit den positiven Wissenschaften
beginnt, und soweit sie den Anspruch erhebt, positive Wissenschaft
zu sein. Zwar hat sie selber oft einen solchen Anspruch erhoben
und ihn gegen den Ansturm von Einwänden zu rechtfertigen gesucht,
ln einem solchen Verhalten aber hat sie sich selber mißverstanden
und ihre Position eher geschwächt als gestärkt.
Denn der Grundstein ihres Gebäudes ist nicht in den Vorhöfen
eingemauert; er liegt, um ein Bild Hegels zu gebrauchen, im Aller-
heiligsten der menschlichen Erkenntnis.
2. Kants Kritik der Metaphysik.
Wenden wir uns aber mit der Ablehnung der Zulänglichkeit
und des Rechtes der erkenntnistheoretischen Kritik an der Meta¬
physik nicht gegen die so viel gerühmte und berühmte Tat Kants,
der nach unendlich oft gehörter Behauptung eben von der Seite
jener Kritik aus die Unwissenschaftlichkeit der Metaphysik end¬
gültig dargetan und ihre Beseitigung im Prinzip erreicht habe?
Nun erübrigt es sich, darauf hinzuweisen, daß der große Kritiker
der Metaphysik selber ein großer Metaphysiker war, der in die Meta¬
physik nach seinem eigenen Geständnis nicht bloß verliebt war,
und ihr dann, als seine Liebe keine Erwiderung fand, nicht etwa
den Scheidebrief ausstellte, sondern daß er ihr auch den Besitz ganz
positiver Werte nachwies. Wie lehrreich und folgerichtig ist in dieser
Beziehung die Entwicklung des Neukantianismus. Seine ver¬
schiedenen Stufen und Ausprägungen, und deren Zahl ist nicht klein,
sind ebenso viele Grade in der Entwicklung der Bewertung der
Erkenntnistheorie für die Frage der Geltung der Metaphysik. Die
älteste, etwa durch Otto Liebmann, Friedrich Albert Lange, Alois
Riehl, Erich Adickes vertretene Stufe des Neukantianismus ist da¬
durch gekennzeichnet, daß hier die Überzeugung verfochten wurde,
die große und entscheidende Tat Kants sei die endgültige Verbannung
der Metaphysik aus dem Kreise aller Wissenschaft überhaupt ge¬
wesen, und diese Tat habe Kant durch seine Erkenntniskritik ge¬
leistet, die das Haupt- und Herzstück seines ganzen Kritizismus
bedeute. Von dieser Stufe aus führt dann die weitere Geschichte