Full text: Grundlegung der Dialektik

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I. Typische Einwände gegen die Metaphysik 
auch nicht von der Psychologie zu erreichen. Während alle übrigen 
Erlebnisse dahin drängen, sich positiv darzustellen und dadurch den 
Charakter tatsächlicher seelischer Vorgänge annehmen, widersetzt 
sich das metaphysische Erlebnis einer solchen Überführung und 
einem solchen Übergang in die Sphäre empirisch und positiv be¬ 
stimmbarer seelischer Verläufe. In ihm arbeitet eine dialektische 
Kraft. Der Metaphysiker spricht nämlich sein Erlebnis und seine 
Erkenntnis realiter aus und verendlicht sie dabei auf bestimmte Art 
und Weise. Doch, was er in jenen Erlebnissen erlebt und mit 
seinen Erkenntnissen ausdrücken will, das soll grundsätzlich dem 
Zusammenhang des Endlichen entnommen bleiben und einen, 
diesem Zusammenhang überlegenen eigentümlichen Seinswert und 
Sinngehalt bewahren. Bezeichnen wir diesen Seinswert und Sinn¬ 
gehalt als ,,absolute Wesenhaftigkeit“, so wird klar, daß von keiner 
positiv-wissenschaftlichen Einstellung aus eine angemessene Dar¬ 
stellung dieser Wesenhaftigkeit geboten werden kann. 
Alle positiven Wissenschaften haben es mit positiven, den empi¬ 
rischen Gesetzlichkeiten unterworfenen, mit endlichen und ab¬ 
hängigen Erscheinungen zu tun. Aus dieser Einsicht ergibt sich 
eine höchst bedeutsame Folge in bezug auf die Geltung, die allen 
Einwänden gegen die Metaphysik, sofern diese Einwände von seiten 
einer positiven Wissenschaft kommen, innewohnt. Können denn 
Bedenken, die gegen die Metaphysik unter dem Gesichtspunkt einer 
ihr inadäquaten Wissenschaft erfolgen, siegreiche Kraft haben? 
Mit Recht verfällt sonst eine Kritik, die einem Gegenstand nur von 
außen her zuteil wird, dem Tadel der Unzulänglichkeit. Denn in der 
Wissenschaft muß auf einer immanenten Prüfung bestanden werden. 
Wo und wann ist der Metaphysik aber eine solche immanente Kritik 
beschieden gewesen ? Ein ursprünglicher seelischer Widerwille gegen 
sie besagt natürlich nicht das mindeste. Hier steht einfach Stimmung 
gegen Stimmung, Wunsch gegen Wunsch, Überzeugung gegen Über¬ 
zeugung. Eine Erschütterung des Rechtes der Metaphysik kann 
nur — aus der Metaphysik selber hervorgehen. Das aber heißt: 
Die Metaphysik ist, sobald man sich wirklich in ihren Sinn versetzt 
und die Autonomie ihres Wesens begreift und würdigt, nicht zu er¬ 
schüttern. Daher die charakteristische Ergebnislosigkeit aller Ein¬ 
wände, die von den verschiedensten Standpunkten aus gegen sie 
erhoben worden sind. — 
Dennoch wollen wir diese Einwände an unseren Blicken vorüber¬ 
ziehen lassen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens sind sie lehr¬
	        
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