5. Die ewige Dialektik und Problematik der Metaphysik 375
System der positiven Wissenschaft selber in bestimmten meta¬
physischen Bedingungen verankert und durch sie gesichert ist, und
daß es nun eine echte philosophische Aufgabe bedeutet, diese meta¬
physischen Grundlagen ans Licht zu stellen. Die Erfüllung dieser
Aufgabe ist aber eine Arbeit im Dienste der Metaphysik. Und wie
die Grundlagen der Wissenschaft, so sind auch ihre letzten Aus¬
mündungen metaphysische Konstruktionsgebilde; es sind meta¬
physische Synthesen. Sobald sich das Studium auf die Natur dieser
Synthesen richtet, liegt eine Beschäftigung mit der Metaphysik vor,
wie bereits in dem Gebrauch dieser Synthesen durch den Einzel¬
forscher eine — ihm nur oft unbewußte — starke positive Beziehung
zur Metaphysik vorliegt. Wenn aber jede Form wissenschaftlicher
Arbeit von metaphysischen Voraussetzungen und Tendenzen durch¬
waltet ist, wie könnte es dann angängig sein, in die Metaphysik
dieser wissenschaftlichen Grundrichtungen nicht eindringen zu
wollen, und zwar gerade mittels der Metaphysik, wenn anders eine
den Verhältnissen entsprechende Erfassung der ganzen Sachlage
erreicht werden soll? Doch gehen die Nachweise zugunsten der
Metaphysik bekanntlich noch weiter. Wir erfahren, daß nicht bloß
die wissenschaftliche Arbeit, sondern daß alle Lebensbetätigungen
und schließlich das Leben überhaupt von metaphysischen Bedin¬
gungen getragen und eingerahmt und durch metaphysische Ten¬
denzen beherrscht wird. Wir erfahren, daß das ,,Leben“ selber eine
metaphysische Kategorie ist, und daß diese Kategorie den Ausdruck
eines metaphysischen Gehaltes bedeutet. Können und dürfen wir
vor diesen Nachweisen die Augen verschließen? Können und dürfen
wir, wenn die Tatsächlichkeit des „Metaphysischen“ eingesehen und
zugegeben wird, auf die Metaphysik verzichten? Treiben wir denn
nicht schon Metaphysik in dem Augenblicke, in dem wir jene Tat¬
sächlichkeit des „Metaphysischen“ einsehen und zugeben? Ist der
Agnostizismus ein Standpunkt, der auf die Dauer aufrechtzuer¬
halten ist? Oder weist er nicht alle Züge logischer Halbheit und
denkerischer Unzulänglichkeit auf?
Nun aber die Kehrseite. Verlangen jene Stimmen, die den Ver¬
zicht auf die Metaphysik fordern und die Enthaltsamkeit ihr gegen¬
über als ein Zeugnis der Weisheit rühmen, weniger Berücksichtigung?
Ist unter ihnen nicht so manche Mahnung von beachtenswertem,
weil einsichtig begründetem Gewicht? Die Ablehnungen der Meta¬
physik kommen doch nicht alle aus einer nur subjektiven Vorein¬
genommenheit oder persönlichen Stimmung. Die Anwälte des