342
VI. Die Dialektik der Metaphysik
gehen so, daß die Subjektivität des künstlerischen Erlebens und der
künstlerischen Persönlichkeit zum Ausgangspunkt des Verständ¬
nisses der betreffenden Leistungen gemacht wurde. Wie sehr auf diese
Weise die ganze Leistung versubjektiviert, ihre Objektivität als Ge¬
stalt, als Dasein innerhalb der geschichtlichen und soziologischen
Zusammenhänge der Kultur verkannt und der Weg zur Erfassung
derjenigen Prinzipien, die die objektive Geltung des Werkes be¬
dingen und festhalten, verbaut wurde, das alles wurde nicht gesehen.
Und genau ebenso liegen die Umstände nun bei jener subjektivisti-
schen und psychologischen und psychologistischen Einschätzung der
Metaphysik, deren eigentümliche Objektivität und Apriorität zu
einem subjektiven Ausfluß der ,,dichtenden Einbildungskraft“, wie
Lange sagte, verdünnt wurde.
Ein dritter Typ von Einwänden ist weniger grundsätzlicher Art.
Er richtet sich nur gegen die Möglichkeit und gegen das Recht eines
bestimmten Systems und einer bestimmten Form der Metaphysik.
So bekämpft z. B.die kritische Metaphysik Kants den alten dogma¬
tischen Rationalismus. So bekämpft die rationalistische Meta¬
physik die intuitivistische und irrationalistische und umgekehrt.
Aber alle diese Reibungen und Auseinandersetzungen bewegen sich
doch bereits auf metaphysischem Boden und innerhalb des Rahmens
der Metaphysik. Sie bestreiten derselben nicht das Dasein und das
Recht. Nur ist an ihnen beachtenswert und beinahe amüsant, daß
jeder Standpunkt, der in diesen Auseinandersetzungen zu Worte
kommt, sich als den in metaphysischem Betracht allein berechtigten,
der Tendenz und Aufgabe der Metaphysik allein genugtuenden an¬
erkannt sehen will. In diesen Streit spricht sich ein für die Meta¬
physik immer wieder bezeichnender Fanatismus aus. Die oft bis
zum äußersten Doktrinarismus gesteigerte Leidenschaftlichkeit in
der Verfechtung eines metaphysischen Standpunktes ist nur be¬
greiflich, wenn die sehr starken emotionalen Triebkräfte nach
Gebühr berücksichtigt werden, die in jeder metaphysischen System¬
bildung wirksam sind und auch bei dem scheinbar dürrsten Ratio¬
nalismus mitschwingen. Schon die Beteiligung dieser Triebkräfte
zeigt mit hinlänglicher Deutlichkeit an, daß der Kampf zwischen
den sich befehdenden Standpunkten auf metaphysischem Boden
stattfindet. Der metaphysische Rationalist ist überzeugt, daß der
Würde des Absoluten und der dieser Würde entsprechenden Er¬
kenntnisart durch eine andere als durch die rationale und demon¬
strative Erkenntnis ein unleidlicher Eintrag zugefügt würde, und