Full text: Grundlegung der Dialektik

162 
III. Der dialektische Idealismus 
das All und für Alles das allbeherrschende ,,Gesetz“. Denn auch 
das Gesetz trägt seine Macht nur zu Lehen von der Macht der Syn¬ 
these. 
Deshalb ist auch die Absicht aller Wissenschaft, in erster Linie 
diejenige der Philosophie, auf die Erkenntnis und Herausarbeitung 
der großen konstruktiven Synthesen gerichtet. Ist doch die Erkennt¬ 
nis des Seins im Grunde nichts anderes als die Erkenntnis der ent¬ 
scheidenden Ordnungen und Einheiten — in der Philosophie der 
Gegenwart pflegt man dafür gern ,,Gestalten“ oder „Strukturen“ 
zu sagen —, derjenigen Ordnungen und Einheiten, die das Sein 
gründen und tragen. Haben wir diese Synthesen, so besitzen wir 
auch das Sein. Das gilt sowohl für die Theorie wie für die Praxis, 
für die reine Erkenntnis und uninteressierte Forschung wie für unser 
Streben nach Macht und nach Herrschaft über die Dinge und die 
Menschen. Wir verstehen den Menschen und seine erkenntnismäßi¬ 
gen Anstrengungen bzw. Erfolge, wenn wir die ordnenden Synthesen 
erfassen, in denen sein Wollen und sein Tun zum Ausdruck gelangen. 
Philosophie der Wirklichkeit ist Erkenntnis der wirklichkeits¬ 
begründenden Ordnungen, ist Einsicht in die grundlegenden Kate¬ 
gorien und Ideen, die selber nichts anderes als Formen der Synthesen 
darstellen und die, eben weil sie das sind und nichts als das, die 
Sicherheit der Realität begründen. Ohne Synthesen also auch keine 
Realität. Da aber diese grundlegenden Synthesen Funktionen des 
Geistes sind, demnach ihrer „Natur“, ihrem „Wesen“ nach das 
Wesen von „Ideen“ haben, so können, nein, so müssen wir auch 
sagen: Ohne die Idee der Synthese und ohne die Synthese der Idee 
keine Realität. Das Studium der Wirklichkeit bedeutet, philoso¬ 
phisch, d. h. erkenntniskritisch und metaphysisch verstanden, das 
Studium der ideellen Synthesen bzw. der synthetischen Ideen, ohne 
die wir von irgendeiner Art von Sein, von Wirklichkeit nicht reden, 
nichts wissen können. Diese ideellen Synthesen bilden den Haupt¬ 
gegenstand der Philosophie. Darum ist jede wahre Philosophie, 
schon ihrem Gegenstand nach, Idealismus, Ideenlehre, Platonismus, 
Kritizismus. Darum beginnt die philosophische Erkenntnis der 
Wirklichkeit mit der Erkenntnis der ideellen Synthesen, die das 
Apriori für alle Erkenntnis der Wirklichkeit und für alle Wirklich¬ 
keit sind. In den Synthesen der Ideen und in den Ideen der Syn¬ 
thesen gründet sich die Realität. Aus dieser Erkenntnis heraus 
ergibt sich die Einsicht in die unauflösbare Wechselbeziehung von 
Idealismus und Realismus, die so wenig „Gegensätze“ darstellen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.