Full text: Grundlegung der Dialektik

5. Das religiöse Motiv 
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überwindende Gewalt des Glaubens und seiner ihm und dem Men¬ 
schen unentbehrlichen Objektivationen im Kultus. Sie verwirk¬ 
licht sie in der Andacht und Hingabe des Gebetes, in der Mystik 
des Abendmahles und in allen den anderen Erlösungsfunktionen, 
die das fromme Gemüt sich in der Kirche und durch die Kirche 
geschaffen hat. 
Alles in allem: Auch nach dieser Richtung mündet die Meta¬ 
physik, so stark die Kraft des religiösen Motivs ohne Zweifel in ihr 
ist, in eine Dialektik. Aber vor dieser Dialektik sich scheuen und 
ihr die Erlösungskraft des religiösen Glaubens überordnen wollen, 
heißt nicht bloß die Eigenart und die Autonomie der Metaphysik 
unterschätzen, sondern Angst vor dem Leben haben, aus dessen 
ewiger Dialektik sich die Dialektik der Metaphysik immer wieder 
gestaltet und immer aufs neue nährt. — 
Die Dialektik der Metaphysik steigt aus der Dialektik des Lebens 
empor, weil die Motive, die in ihrer Grundverfassung als ihre Be¬ 
dingungsfaktoren eingebaut sind, aus der Dialektik des Lebens 
hervorwachsen. Deshalb muß die Beschäftigung mit der Meta¬ 
physik als eine unabweisbare Obliegenheit gewertet werden. Ja, 
noch mehr! Nicht nur die Beschäftigung mit der Metaphysik gehört 
zu den unbedingten menschlichen Pflichten, sondern die Stellung 
der Metaphysik selber im Aufbau der geschichtlich-menschlichen 
Kultur ist eine unbedingte und unersetzliche, sie ist durch keine 
Kritik und durch keinen Fortschritt der positiven Wissenschaften 
zu beseitigen. Die relative Zurückdrängung ihres Ansehens in einer 
bestimmten Epoche erlaubt nicht den Rückschluß, daß nun auch 
die objektive Bedeutung der Stellung der Metaphysik im Reiche des 
Geistes eine Schwächung erfahren habe. Durch wen anders könnte 
die Dialektik des Geistes in ihrem Vollgehalt vertreten werden als 
nur durch die Metaphysik? Sie istseinedeutlichste Darstellung inner¬ 
halb des Zusammenhanges der menschlichen Schöpfungen, sie ist 
die offensichtliche Vertretung seines Wesens, gerade insofern als 
er Dialektik ist und seine Spontaneität in der Form der Dialektik 
aufweist und ausweist. Diese auf unantastbaren Rechten beruhende 
Stellung der Metaphysik wird sofort deutlich, sobald sich das Ver¬ 
ständnis für diejenigen Motive klärt und festigt, in denen sich jene 
Spontaneität auswirkt, und deren reibungsvoll-systematische Zu¬ 
sammenarbeit die Notwendigkeit der Metaphysik entstehen läßt. 
Das ganze vorliegende Kapitel galt der Kennzeichnung derjenigen
	        
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