5. Das religiöse Motiv
159
überwindende Gewalt des Glaubens und seiner ihm und dem Men¬
schen unentbehrlichen Objektivationen im Kultus. Sie verwirk¬
licht sie in der Andacht und Hingabe des Gebetes, in der Mystik
des Abendmahles und in allen den anderen Erlösungsfunktionen,
die das fromme Gemüt sich in der Kirche und durch die Kirche
geschaffen hat.
Alles in allem: Auch nach dieser Richtung mündet die Meta¬
physik, so stark die Kraft des religiösen Motivs ohne Zweifel in ihr
ist, in eine Dialektik. Aber vor dieser Dialektik sich scheuen und
ihr die Erlösungskraft des religiösen Glaubens überordnen wollen,
heißt nicht bloß die Eigenart und die Autonomie der Metaphysik
unterschätzen, sondern Angst vor dem Leben haben, aus dessen
ewiger Dialektik sich die Dialektik der Metaphysik immer wieder
gestaltet und immer aufs neue nährt. —
Die Dialektik der Metaphysik steigt aus der Dialektik des Lebens
empor, weil die Motive, die in ihrer Grundverfassung als ihre Be¬
dingungsfaktoren eingebaut sind, aus der Dialektik des Lebens
hervorwachsen. Deshalb muß die Beschäftigung mit der Meta¬
physik als eine unabweisbare Obliegenheit gewertet werden. Ja,
noch mehr! Nicht nur die Beschäftigung mit der Metaphysik gehört
zu den unbedingten menschlichen Pflichten, sondern die Stellung
der Metaphysik selber im Aufbau der geschichtlich-menschlichen
Kultur ist eine unbedingte und unersetzliche, sie ist durch keine
Kritik und durch keinen Fortschritt der positiven Wissenschaften
zu beseitigen. Die relative Zurückdrängung ihres Ansehens in einer
bestimmten Epoche erlaubt nicht den Rückschluß, daß nun auch
die objektive Bedeutung der Stellung der Metaphysik im Reiche des
Geistes eine Schwächung erfahren habe. Durch wen anders könnte
die Dialektik des Geistes in ihrem Vollgehalt vertreten werden als
nur durch die Metaphysik? Sie istseinedeutlichste Darstellung inner¬
halb des Zusammenhanges der menschlichen Schöpfungen, sie ist
die offensichtliche Vertretung seines Wesens, gerade insofern als
er Dialektik ist und seine Spontaneität in der Form der Dialektik
aufweist und ausweist. Diese auf unantastbaren Rechten beruhende
Stellung der Metaphysik wird sofort deutlich, sobald sich das Ver¬
ständnis für diejenigen Motive klärt und festigt, in denen sich jene
Spontaneität auswirkt, und deren reibungsvoll-systematische Zu¬
sammenarbeit die Notwendigkeit der Metaphysik entstehen läßt.
Das ganze vorliegende Kapitel galt der Kennzeichnung derjenigen