Full text: Grundlegung der Dialektik

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II. Von der Pflicht zur Metaphysik 
sehe Umbildung der seelischen Erscheinungen nicht eine 
Aufgabe, die jener naturphilosophischen mindestens ebenbürtig 
ist? Die Einwirkung der metaphysischen Interpretation auf das 
Innenleben muß unsere Aufmerksamkeit sogar in einem erhöhten 
Grade darum in Anspruch nehmen, weil hier ihre Folgen deutlicher 
hervortreten und die Wichtigkeit dieser Folgen für das Seelenleben 
unverkennbarer wird, als das bei der Naturphilosophie der Fall ist. 
Zwar vollzieht sich auch hier eine tiefgreifende Veränderung in der 
Struktur der Erscheinungswelt, soweit diese als ein Inbegriff kausal 
bestimmter Erfahrungsobjekte gilt. Nur geht uns diese Veränderung 
nicht so tief an, sie gewinnt nicht jene moralische, erzieherische und 
religiöse Bedeutung wie diejenige Umgestaltung, die seitens der 
metaphysischen Auffassung des Innenlebens auf dieses ausgeübt 
wird. Die volle Tragweite der Kraft des religiösen Motivs erfahren 
wir doch erst bei seiner eingreifenden Wirkung auf uns selber, auf 
unser Denken und Handeln, auf unser Wünschen und Wollen. Der 
Positivismus der Psychologie versteht den Bereich des Innenlebens 
als einen Verband gesetzlich bestimmter seelischer Erscheinungen 
und seelischer Vorgänge, vergleichbar derjenigen Erkenntnisweise, 
die für die Naturwissenschaften bei ihrer Auffassung der Erscheinun¬ 
gen der äußeren Natur und für die Geisteswissenschaften bei ihrer Auf¬ 
fassung der Erscheinungen der geschichtlichen Natur maßgebend ist. 
Die metaphysische Betrachtung beseitigt nun unter dem Einfluß 
des religiösen Motivs in ihr die von der Psychologie vertretene Über¬ 
zeugung, nach der die Gegebenheit der seelischen Erscheinungen, 
so wie diese im Innenleben verlaufen, und die gesetzlichen Ver¬ 
bindungen, denen dieser Verlauf unterworfen ist, ein Letztes und 
schlechthin Hinzunehmendes bedeuten. Welches ist die Folge, die 
jene metaphysische Betrachtung in seelischer Hinsicht da auslöst, 
wo sie nicht in der Form einer kalten und grauen Überlegung an¬ 
gestellt wird, sondern wo der heiße Atem wirklicher metaphysischer 
Inbrunst in ihr glüht? Wir müssen immer im Auge behalten, daß 
die metaphysischen Überlegungen, falls sie ihrem Wesen entsprechen, 
aus der ganzen Innerlichkeit des Menschen hervorwachsen und ihre 
Affekterfülltheit auch dann nicht verlieren, wenn sie aus irgend¬ 
welchen Gründen in das eiskalte Gefüge rationaler Begrifflichkeit 
gekleidet werden. Sie drängen immer über die eingeengte Zu¬ 
ständigkeit einer bloßen ,,Lehre“ hinaus und streben danach, in 
der Richtung sittlich-erzieherischer und religiöser Energien wirksam 
zu werden.
	        
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