5. Das religiöse Motiv
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5. Das religiöse Motiv.
a. Metaphysik und Religion.
Vergleichsweise ist das Verhältnis zwischen der Metaphysik bzw.
der Dialektik auf der einen Seite und der Kunst auf der anderen
trotzdem weniger häufig zum Gegenstände von besonderen For¬
schungen gemacht worden als das Verhältnis zwischen der Meta¬
physik und der Wissenschaft, das geradezu ein Lieblingsobjekt für
erkenntnistheoretische Untersuchungen darstellt. Doch mit der Zahl
von Studien, die sich auf das zuletzt genannte Problem beziehen,
kann wohl die außerordentliche Fülle ergiebiger Erörterungen wett¬
eifern, die der Frage der Beziehung zwischen der Metaphysik und
der Religion gelten. Das Bestreben, eine Klärung dieser Frage, wie
nämlich Metaphysik und Religion zueinander stehen, herbeizuführen,
erwächst nicht bloß aus rein wissenschaftlichen und theoretischen
Interessen. Hier ist vielmehr noch ein anderes Anliegen im Spiel.
Es bekundet sich in der Erörterung dieses Problems die allerdings
oft geheime und unausgesprochen bleibende Überzeugung, daß
zwischen jenen beiden Geistesgestalten und Kulturgebieten eine
mehr als theoretische Verbundenheit obwaltet.
Würde eine solche übertheoretische Verbundenheit nicht wirklich
vorliegen, worauf könnte sich dann die Religionsphilosophie be¬
rufen? Ihre Möglichkeit gründet sich doch darauf, daß zwischen
der Religion und der Metaphysik die Kraft eines wechselseitigen
Zusammenhaltes wirkt. Beschränkt sich dieser Zusammenhalt nur
darauf, daß die Metaphysik die Eigentümlichkeit desjenigen theore¬
tischen Geltungswertes untersucht, der den religionswissenschaft¬
lichen Urteilen und religionswissenschaftlichen Erkenntnissen inne¬
wohnt? Mitnichten. Eine derartige Beziehung würde das Wesen
der Religion als solches noch gar nicht erfassen, in die Sphäre der
Religion selber gar nicht eindringen, von ihrer dämonischen Rätsel¬
haftigkeit kein Bild liefern. Sie würde nur jene äußerliche rationale
Seite von ihr berühren, die sich in der Form einer bestimmten Er¬
kenntnisgruppe darstellt und in ihrer begrifflichen Vereinheitlichung
als Religionswissenschaft oder ähnlich bezeichnet zu werden pflegt.
Wir wollen natürlich gegen das Recht einer solchen Beziehung
kein einziges Wort des Einwandes erheben. Ihr wohlbegründeter
Sinn läßt sich so aussprechen: Die Metaphysik hat unter anderem
auch die Aufgabe, die Form und die Modalität derjenigen Erkenntnis-
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