2. Das intellektuelle Motiv
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b. Der metaphysische Rationalismus und die Wissenschaft.
a) Nun hatten wir noch von einer aposteriorischen Bedeutung des
metaphysischen Rationalismus und des in ihm sich entfaltenden
intellektuellen Motivs gesprochen. Und von dieser aposteriorischen
Bedeutung soll nunmehr gleichfalls mit einigen Worten die Rede
sein. Doch gilt es, sofort einem möglichen Mißverständnis zu wehren.
Dem nämlich, als sollte dieser metaphysische Typus als ein hinterher¬
kommendes Anhängsel für andere Formen des Geisteslebens auf¬
gefaßt werden. Wenn wir hier im besonderen sein Verhältnis zu den
positiven Wissenschaften berücksichtigen, so wollen wir durch den
Hinweis auf seine aposteriorische Bedeutung für dieselben nicht
behaupten, daß er wie ein Nachzügler sich hinter ihnen herschleppe
und die Brosamen von ihrem Tisch auflese. Als wir in dem voran¬
gehenden Kapitel allgemein von der Apriorität seiner Geltung
sprachen, da wurde unmittelbar auch zum Ausdruck gebracht, daß
er für die positiven Wissenschaften im besonderen eine apriorische
Geltung besitze.
Wir betonten bereits mehrfach die apriorische Geltung der Meta¬
physik überhaupt und des metaphysischen Rationalismus für den
Gesamtbestand der Kultur. Diese Apriorität prägt sich in Sonder¬
heit in seiner Bedeutung für die positive Wissenschaft aus. Während
er den gesammelten dialektischen Ausdruck des rationalen Zuges
im Wesen der Vernunft darstellt, verkörpern die einzelnen Wissen¬
schaften dialektische Teilbezüge und Teilfunktionen dieser Rationali¬
tät. Und schon aus diesem Verhältnis erhellt sich sein apriorischer
Charakter gegenüber den positiven Wissenschaften. Wie die Ver¬
nunft überhaupt das Apriori für alle ihre Teilfunktionen ist, so ist
ihr theoretischer Niederschlag im metaphysischen Rationalismus
das Apriori für alle partiellen Niederschläge theoretischer Art in den
Einzelwissenschaften.
Wenn wir also jetzt von der anderen, von der aposteriorischen
Funktion des intellektuellen Motivs handeln, so soll damit seine
Apriorität nicht die leiseste Minderung erfahren. Im Gegenteil:
Diese aposteriorische Funktion ist erst und nur auf dem Grunde der
hervorgehobenen und niemals einzuschränkenden Apriorität unseres
Motivs möglich. Sie zieht aus diesem Verhältnis sowohl ihr Recht
als auch ihre Notwendigkeit. Denn wir meinen, wie wiederholt sein
mag, keine beliebige und gelegentliche aposteriorische Funktion des
intellektuellen Motivs, die lediglich dann und wann zur Betätigung