Full text: Grundlegung der Dialektik

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II. Von der Pflicht zur Metaphysik 
muß. Es wird nicht etwa bloß in dem Bewußtsein des Metaphysikers 
zu subjektivem Wissen gebracht und dadurch intellektualisiert; 
sondern es besitzt auch für sich genommen bei allem seinem über¬ 
logischen Charakter in sich einen Zug der Objektivität der Logizität. 
Auch das Gute, auch das Schöne, auch das Heilige sind bei aller 
ihrer Selbständigkeit sowohl auf das objektive Wissen bezogen und 
dadurch mit der Zone der Intellektualität verknüpft, als auch von 
ihrer Wurzel und ihrem Mutterschoß her intellektualistisch gefärbt 
und mit intellektuellen Momenten durchwachsen. Denn sie alle 
stammen aus der primären und universellen Einheit des Logos, dem 
sie alle als Sprößlinge und Zweige, als Potenzen und Wirkungs¬ 
belege eingelagert sind. Keine der verschiedenen Geistesbetäti¬ 
gungen steht und wirkt in der Metaphysik für sich allein. Wo wir 
z. B. den ethischen oder den religiösen Idealismus vor uns haben, 
sehen wir die ethische bzw. die religiöse Gedankenrichtung Schritt 
für Schritt von intellektualistischen Momenten durchsetzt und durch 
diese strukturiert. 
Ich möchte mit diesen Erörterungen nicht sagen, daß die Meta* 
physik, wenn sie ihren primären Ansätzen nach ins Auge gefaßt 
wird, zuerst aus dem Wunsche nach Erkenntnis hervorgegangen ist 
oder der Absicht der Erkenntnis primär dient. Ein solcher Wunsch 
und eine solche Absicht treten in zweckbewußter Form erst da auf, 
wo die Metaphysik sozusagen in die Hände der Metaphysiker von 
Fach übergegangen und zu einer technischen Aufgabe der philo¬ 
sophischen Schulen geworden ist, wo Metaphysik also von Berufs 
wegen getrieben wird. Erst da und dann hat sich auch jener Typus 
der Metaphysik in bewußter und logisch fixierbarer Form heraus¬ 
gestaltet, den wir als rationalistischen Idealismus oder metaphysi¬ 
schen Rationalismus bezeichneten. Das geschah in jenen, für die 
wissenschaftliche Entwicklung des Abendlandes so unendlich frucht¬ 
baren Zeiten, in denen die unausdenkbar wichtige Verknüpfung 
zwischen dem metaphysischen Trieb auf der einen und der Mathe¬ 
matik auf der anderen Seite hergestellt wurde. Wie wir wissen, 
vollzog sich diese Verbindung auf den Frühstufen der griechischen 
Spekulation, bei der ionischen Naturphilosophie und bei den Pytha- 
goreern. Der gewaltige und heroische Rationalismus, den wir nicht 
nur in der griechischen Metaphysik finden, sondern der überhaupt 
als ein Wesenszug der ganzen griechischen Kultur hervorgehoben 
worden ist, und durch den, wie man gesagt hat, die Griechen den 
Beginn der Entzauberung der Wirklichkeit eingeleitet haben, stammt
	        
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