3. Haupttypen der Eänwände
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b. Psychologische und psychol ogistische Kritik der
Metaphysik: Metaphysik als subjektive
Begriffsdichtung.
Dieselbe positivistische Geisteshaltung gegenüber der Meta¬
physik wie Dilthey nehmen die Vertreter desjenigen Standpunktes
ein, der in der Überschrift dieses Kapitels zum Ausdruck gebracht
wurde. Es sind Friedrich Albert Lange, Friedrich Nietzsche
und Hans Vaihinger, der jedoch von den beiden erstgenannten
vollständig abhängig ist und für die Kritik der Metaphysik keine
grundsätzlich neue Idee beigesteuert hat. Alle drei Denker sind aber
darum erwähnenswert, weil ihre Ausführungen, abgesehen von deren
typischer Bedeutung, auf die allgemeine — d. h. abschätzige —
Würdigung, die der Metaphysik aus der Reihe der Vertreter der
Wissenschaft, der Kunst, der Politik, des Rechtes, der Religion usw.
erwiesen wurde, von einem ungleich größeren Einfluß waren als die
umfassende Kritik Diltheys. Blieb diese dem weiteren Kreis der
Öffentlichkeit doch nahezu ganz unbekannt.
a) Friedrich Albert Lange ist mit seinem bedeutenden und viel
beachteten Werk ,,Geschichte des Materialismus“ zusammen mit
Otto Liebmann, Hermann Cohen, Alois Riehl, Kurt Laßwitz u. a.
einer der Begründer des Neukantianismus, dessen erste Stufe durch
ihn in lehrreicher Weise vertreten wird. Immer wieder lobt er den
kantischen Kritizismus darum, weil dieser durch den Nachweis der
wissenschaftlichen Pseudonatur und der begrifflichen Unhaltbarkeit
der Metaphysik allen transzendenten Spekulationen, diesen ver¬
hängnisvollen, durch die Schuld von Plato und Aristoteles ein¬
geführten Erbkrankheiten, grundsätzlich den Garaus bereitet habe.
Zwar herrsche noch in Kant selber eine Schwäche für die Meta¬
physik, wie deren Wiederherstellung durch die Kritik der praktischen
Vernunft zeigt. Das sei jedoch ein aus menschlichen Beweggründen
begreiflicher Rückfall in eine angeborene und durch Erziehung und
Tradition genährte Vorliebe. Diese Rückfälle sind aber für die
Gesamtbedeutung der kritischen Leistung ohne größeres Gewicht;
sie sind zu erwähnen, um ein vollständiges Bild des persönlichen
Verhältnisses Kants zur Metaphysik zu geben, zugleich aber ist ihre
Unerheblichkeit in prinzipiellem Betracht in Rechnung zu ziehen.
Was bleibt dann noch von der Metaphysik? Lange ist überzeugt,
ihr eine durchaus objektive und gerechte Würdigung dadurch zu
widmen, daß er sie als eine „Begriffsdichtung der Spekulation“ auf¬