68
drücklich suchte (hauptsächlich im Innern), doch nicht in den reichern
römischen Formen, sondern in gemalten Füllungen, stuckierten Pila¬
stern, am Äußern in Girlanden, Masken, Band werk u. dgl. an Fenstern
und Türen. Selbst an kleinern Zierarbeiten (Grabmälern, Altären)
mochte man dann nicht mehr auf die entsprechenden vollständigen
römischen Prachtformen zurückgehen. Der Barockstil fand endlich
jenen Rückweg vollends nicht mehr und vervielfachte lieber seine Glie¬
derungen, als daß er sie in jener ganz erlaubten Weise bereichert hätte.
§ jo
Detailproben und Einwirkung der Festdekoration
Auf jede Weise suchte man sich des wahrhaft Wirksamen zu versichern.
Außer den Probemodellen einzelner Bauteile in wirklicher oder nicht
viel geringerer Größe war auch die bauliche Dekoration bei Festen jetzt
eine sehr wichtige Quelle der Belehrung.
Michelangelos 6 Braccien hohes Modell einer Ecke des Kranzgesim¬
ses für Pal. Farnese; Vasari XII, p. 231, v. di Michelangelo. Auch Fen¬
ster, Säulen, Bogen usw. modellierte er seinen Bauführern und Stein¬
metzen gerne aus Ton vor, ohne Zweifel in einiger Größe; Fetterepit-
toriche I, 15, Ben». Cellini al Varchi 1546. Seine Gebäude scheinen die¬
ses Verfahren durch eigenen Formenausdruck zu verraten.
Die wichtigste Seite der Festdekoration lag darin, daß man sich in
Holz, Gips und Karton rasche Rechenschaft von dem gab, was auch
in Stein und in demselben Maßstab wirken könne. Vgl. § 189.
Sichtbar ist aus derselben in die Architektur herübergenommen u. a.
der sogenannte Cartoccio, ein versteinertes geschwungenes, auch wohl
verschlungenes Band oder Blatt von Karton. Vgl. Serlio, L. VII,
p. 78 j-., und Lomazzo, trattato deW arte, L. VI, p. 421, wo die nam¬
haften Arbeiter des 16. Jahrhunderts für Cartocci, Girlanden, Masken
usw. aufgezählt sind.
Mit dem Wert der Festdekoration als Bauprobe hängt dann auch zu¬
sammen, daß man sie bald mit mehr als gebührlicher Strenge architek-
tonisierte und ihre Freiheit nicht auf die wahre Weise achtete, vgl. § 56
und 190.
§ H
Verstärkung der Formen
Zu den neuen Wirkungsmitteln des 16. Jahrhunderts gehört die Nische
an den Fassaden sowohl als an Pfeilern und Mauermassen des Innern,
und die kräftigere Einfassung von Fenstern und Türen mit Pilastern,
Halbsäulen, vortretenden Säulen und Giebeln, letztere im stumpfen
Winkel oder im Kreissegment.