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italienisch-gotischen Stil (§ 19) in ungleichem Grade weiter lebt, in der
Renaissance aber ihre volle Höhe erreicht.
§ 32al
Die Baulichkeiten in den Gemälden
Eine weitere Kunde des Baugeistes der Renaissance in ihren jeweiligen
Wandlungen ist zu gewinnen aus den in der Malerei dargestellten Archi¬
tekturen, indem dieselben ungehemmt auch solche Gedanken verwirk-
ichen, welchen die Ausführung versagt war.
Perspektivische Idealansichten seit Brunellesco, welcher laut Vasari
(II, A 33*, vita di Brunellesco) zunächst vorhandene Gebäudegruppen,
wie z. B. die Umgebung des Baptisteriums und des Signorenpalastes
vollkommen linienrichtig aufnahm, daneben aber den Intarsiatoren
(§ 151, 152) die Darstellung von Gebäuden beibrachte, und diese
waren und blieben perspektivisch genaue Idealbauten. (Verzeichnis
bis ins 16. Jahrhundert a. a. O.)
In Urbino (Belle Arti) das Tafelbild eines fast symmetrischen men¬
schenleeren Platzes mit Prachtbauten, von Piero della Francesca oder
Luciano da Laurana, wahrscheinlich zur Staffierung mit einer Historie
bestimmt.
Im ganzen 15. Jahrhundert reichlicher Gebrauch von oft sehr präch¬
tigen, ersonnenen Baulichkeiten in Fresken und auf Tafelbildern, teils
als von außen gesehen, teils als Räumlichkeit für den dargestellten Vor¬
gang selbst; für uns eine sehr wesentliche Ergänzung des wirklich Aus¬
geführten. (Übersicht im Cicerone.)
Mit dem 16. Jahrhundert sofort bei Raffael die berühmte Räumlich¬
keit der Schule von Athen, nach einer Skizze von Bramante; bei seinen
Schülern die der Taufe Konstantins, der Schenkung von Rom.
Zugleich an Wänden von Sälen gemalte Hallenprospekte als Schein¬
erweiterungen des Raumes, ja mit der Absicht auf Täuschung. (Bal-
dassare Peruzzi im ersten obern Saal der Farnesina; schon bei ihm die¬
selbe Kunst im Zusammenhang mit der Szenenmalerei für die Theater
(§ I93); eine Gattung, welche zwar der Sitte des Behängens der Wand¬
flächen mit gewirkten Teppichen nachstehen mußte und bisweilen in
geringe Hände geriet (§ 169), dennoch aber sich bis in die Spätzeit des
Barocco behauptete, teils bloß mit baulichen und dekorativen Formen,
teils belebt mit Figuren und etwa auch mit Historien. Durch den fort¬
dauernden Zusammenhang mit der allmählich sehr wichtigen Theater¬
malerei blieb auch der Prospekt in Fresko noch immer in einer ge¬
wissen Höhe und ergänzt nun für die geschichtliche Betrachtung das
allgemeine Bild des Barocco.
1 Nachtrag Burckhardts, zum erstenmal in der 4. Auflage 1904, 7 Jahre nach
Burckhardts Tod, erschienen. Hier zitiert nach der Kritischen Ausgabe 1932,
hg. von Heinr, Wölfflin.