§ 27
Studien des 16. Jahrhunderts
Mit dem 16. Jahrhundert steigt der Eifer auf das Höchste; es geschieht
ein Versuch zur vollständigen idealen Restauration des alten Rom, in
Verbindung mit Aufnahmen in allen Gegenden. Die Abnahme dieses
Strebens trifft zusammen mit dem neuen aktiven Bautrieb der Gegen¬
reformation (§ io). Keinem Architekten war das eigene Messen erspart,
was auf ihre Kunstausübung den größten Einfluß hatte; spät und unvoll¬
ständig melden sich die Abbildungswerke.
Bramante in Rom (vgl. § 49) unter Alexander VI. (um 1501), schon
bejahrt, »einsam und gedankenvoll«; seine Studien bis Neapel; Va-
sari VII,129, 134, Nota, v. di Bramante; in Florenz Aufnahmen von
ihm, einiges mit genauer Maßangabe. Nach Lomazzo, tratt. delV arte,
^.410 wies er besonders die verschiedenen Behandlungsweisen an den
römischen Gebäuden, d. h. die wahre Freiheit innerhalb des Normalen
durch genaue Vermessung nach, und der ihm ebenbürtige Peruzzi teilte
dies Streben.
Auch Raffael erweist sich als wahren Menschen der Renaissance, in¬
dem er von der kostbaren Zeit seiner letzten Jahre einen Teil dem alten
Rom widmet. Hiebei ist zu unterscheiden wie folgt:
a) In den ersten Jahren Leos X. sollten Aufgrabungen und Auf¬
nahmen zu einer offiziellen Sache werden. Der berühmte Brief von 1514
oder 1515, mag er von Castiglione, Raffael oder sonst einem Beauf¬
tragten herrühren (§ 22), beklagt die Zerstörungen, schreibt sie nicht
bloß den Barbaren, sondern auch den Päpsten zu, beschwört Leo um
Schutz für das noch Vorhandene, mahnt ihn zu eigenen, römerwür-
digen Bauten, und stellt dann als Ziel die Restauration auf »nach den
Resten, die man heute noch sieht, mit den Gebäuden, von welchen
noch so viel erhalten ist, daß man sie infallibilmente so restaurieren kann,
wie sie gewesen sein müssen«. Es folgt eine Andeutung über einen hie-
für wichtigen spätantiken Autor (wahrscheinlich ein Regionenbuch);
endlich wird die Methode des Aufnehmens festgestellt und zum ersten¬
mal Plan, Aufriß und Durchschnitt gesondert verlangt. Es ist möglich,
daß Raffael an diesem Brief und damals noch an der ganzen Sache gar
keinen Teil hatte, obwohl er sich bereits mit Vitruv beschäftigte (§ 28).
b) Wahrscheinlich war die Angelegenheit ins Stocken geraten, ob¬
wohl das Ernennungsbreve Raffaels zum Direktor der Altertümer und
Ausgrabungen bereits vom 27. August 1516 datiert ist; sie wurde aber
nach einigen Jahren auf einmal rasch unter Raffaels Leitung gefördert;
schon waren sehr bedeutende Ausgrabungen gemacht und große Teile
der gezeichneten Restauration fertig (Coelii Calcagnini Opera, ed. Basil.
1544, p. 101), als Raffael mitten im Vermessen und Restaurieren 1520
starb {Paul Jov. elogium Raphaelis, bei Tiraboschi, Stör, della letteratura
ital., ed. Vene%. 1796, Tom. VII, Parte IV, p. 1643; - und bei Quatre-