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Ein echtes Porzellan in unserm Sinne, durchscheinend oder auch nur
von völlig weißem Korn, besaß man noch nicht, und die vielen Por¬
zellane zumal in den venezianischen Sammlungen sind als Majoliken
zu verstehen, d. h. als glasierte irdene Geschirre.
Diese waren schon im Mittelalter oft durch ihre reiche geschwun¬
gene Form und durch Farben und Gold bis an die Grenze der Kunst
vorgerückt; im 15. Jahrhundert muß ihnen die Vervollkommnung der
Glasur durch die Werkstatt der Robbia zustatten gekommen sein; aber
erst im 16. wurde die volle Freiheit des dekorativen Modellierens und
Flachdekorierens darauf angewandt. Dies ist es, was ihren Wert aus¬
macht, mehr als die mühselig aufgemalten Historien, auch wenn bei
diesen raffaelische und andere berühmte Motive benützt sind.
Die Hauptaussage: Vasari XI, p. 326, v. di Batt. Franco; vgl. XII,
p. 118, v. di Tadd. Zucchero; - Benv. Cellini, vita II, c. 8. - Quatremere,
vita di Raffaello, ed. Longhena, p. 290, Nota.
Zwar gab es schon 1526 Liebhaber, welche Porzellane zu 600 Du-
cati zu verlieren hatten, wie z. B. Giberti, Sekretär Klemens VII., bei
Anlaß der ersten (colonnesischen) Erstürmung Roms; Lettere di prin-
cipil, 106, Negri a Micheli. - Gleichwohl wird angenommen, daß wenig¬
stens die Majolikawerkstätten von Pesaro und Castel Durante erst um
1530 den Höhepunkt erreicht hätten, oder um 1540, als der Herzog
Guidobaldo II. von Urbino den Battista Franco (§ 178) als Vorzeich¬
ner anstellte; außerdem hatte der Herzog eine Menge Skizzen von
Raffael, Giulio Romano und ihren Schülern zu Vorlagen erworben.
Etwas später gab z. B. Taddeo Zucchero die Zeichnungen zu einem
ganzen Service, welches in Castel Durante für Philipp II. gebrannt
wurde.
An den Geschirren von Faenza war das gemalte Figürliche gemäßigt
und nahm entweder nur die Mitte oder den Rand ein (wenn wir Va¬
sari recht verstehen).
Die wenigen Töne, meist nur blau, violett, grün, gelb, weiß und
schwarz, genügten nicht sowohl, um große Kompositionen glücklich
wiederzugeben, als vielmehr, um alle Formen und Profile des Gefäßes
sowohl als die dazwischenhegenden Flächen schön und charakteristisch
zu schmücken. Bisweilen sind Tiere, Laubwerk und andere Zieraten
zugleich reliefiert und bemalt.
Das Beste sind große flache Schüsseln, Konfektteller, Salzbüchsen,
Schreibzeuge u. dgl.; zumal solche ohne gemalte Figuren, mit zier¬
lichen und sparsamen Arabesken, wonach selbige etwa der Fabrik von
Faenza angehören möchten. Schon die Grundform des Gefäßes oder
Gerätes ist in der Regel vortrefflich, und eigens für den Zweck ge¬
dacht, nicht Reminiszenz.
Schon zu Vasaris Zeit hatte sich übrigens dieser Kunstzweig über
ganz Italien verbreitet.
Von den Nachahmungen griechischer Vasen (in rot und schwarz),
welche Vasaris Großvater Giorgio im 15. Jahrhundert zu Arezzo ver-