Full text: Die Baukunst der Renaissance in Italien

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reichte man dann die antike Freiheit und Flüssigkeit nicht völlig; es 
fehlt der Blätterumschlag der obern Ränder, die Vielartigkeit der vege¬ 
tabilischen Simse, sowie der Hohlkehlen. Allerdings wäre man bei der 
Absicht auf Ungeheuern Reichtum nicht wohl zum Ziele gelangt ohne 
ein stärkeres architektonisches Element. 
Anders im nordisch Gotischen, dessen Dekorationsstil geradezu eine 
höchst erleichterte und belebte Architektur ist. 
Gegenüber vom Altertum ist es etwas wesentlich Neues, daß die Re¬ 
naissancedekoration Flächen jeder Art mit Zierformen auf das Wohl¬ 
gefälligste auszufüllen verstand. 
Das Altertum schmückte die Flächen oder Felder mit figürlicher Dar¬ 
stellung (Reliefs oder einzelne Relieffiguren an Altären, an den Seiten 
der Kandelaber, an Grabcippen usw., Wandmalereien) oder es überließ 
sie (an den Mauerwänden) der Inkrustation, d. h. es ließ den Stoff 
sprechen. Neutrale Zierformen kannte nur die Teppichwirkerei mit 
ihren Dessins, d. h. sich wiederholenden Motiven. 
Außerdem mußten die deckenden Teile von jeher durch Schmuck 
nach dem Ausdruck der Leichtigkeit streben. Die Römer gingen hierin 
ohne Zweifel noch weiter, als wir es aus den vorhandenen Festen (Sof¬ 
fitten zwischen Tempelsäulen, Kassetten an Flachdecken und Ge¬ 
wölben) nachweisen können; ihre sprichwörtlich gewordenen Lacu- 
naria waren gewiß oft mit Pracht überladen. Allein es war bei weitem 
nicht genug davon erhalten oder bekannt, um die Renaissance für die 
Flächenverzierung im allgemeinen zu fördern. 
Im Mittelalter begnügte sich der romanische sowohl als der gotische 
Stil, wo sie die Flächen nicht den Figuren überließen, mit aufgemalten 
Teppichmotiven. 
Die Dekoration des Islams, gemalt, glasiert oder mosaiziert, ist 
lauter fortlaufender Teppichstoff ohne Rücksicht auf eine bestimmte 
begrenzte Fläche. Das Ungenügende des Prinzips wird besonders an 
den Gefäßen sichtbar. - Von der byzantinischen Flächenverzierung 
gilt beinahe dasselbe. 
Das einzige Präzedens für das, was die Renaissance zu leisten sich 
anschickte, waren spätrömische Pilaster zumal aus diokletianischer Zeit, 
welche Arabesken von einem Rahmenprofil umgeben enthalten. (Pi¬ 
laster am Arco de’ Leoni zu Verona; - am Bogen der Goldschmiede zu 
Rom enthalten die Pilaster nur reichgeschmückte Feldzeichen.) 
Die Renaissance zuerst respektierte und verherrlichte eine bestimmte 
Fläche als solche. Die Verteilung der Spannung des Ziermotives im 
Raum, seine Beziehung zum umgebenden Rahmen oder Rand, der Grad 
seines Reliefs oder seiner Farbe, die richtige Behandlung jedes Stoffes 
schaffen zusammen ein in seiner Art Vollkommenes. 
Daß man jedoch im ganzen die Alten nicht erreicht habe, ist das Ge¬ 
fühl Vasaris; XI,/). 74, v. di Mosca.
	        
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