Full text: Der Mensch und die Welt

84 
Das Wollen 
Das Allerwichtigste an dieser jetzt endgültig gewonne¬ 
nen Einsicht ist also dieses: Ich will, aber Ich „tue“ nicht. 
„Ich will, und es geschieht“, das ist die erste, „Ich will, 
und die Vitalkraft meines Leibes tut“, das ist die zweite 
vertiefte Formung des wirklichen Sachverhalts. 
Für das bewußte Ich ist zwischen Wollen und Han¬ 
deln eine Lücke. Nicht etwa erlebe ich mich bewußt 
als handelnd, obschon ich gern so rede, als täte ich es. 
Der große schottische Philosoph David Hume hat das 
alles wohl zuerst in ganzer Klarheit gesehen. Wir aber 
haben in diesem Buche diesen außerordentlich wichtigen 
Sachverhalt schon einmal unter anderem Gesichtspunkt 
gestreift, als wir auf S. 51 davon redeten, daß das wis¬ 
sende Wirkliche in Form „meines“ Wissens „nicht voll¬ 
ständig“ von sich wisse. 
Ich also erlebe nur „habend“. Dabei wollen wir es zunächst 
bewenden lassen, uns jedoch vorbehaltend, eine kleine Kor¬ 
rektur an allem vielleicht später noch anzubringen, eine 
nur kleine, aber vielleicht recht wichtige Korrektur. — 
Wir redeten bisher von dem Willen, der sich nach außen 
in eine Handlung entläd. Nun gibt es auch, wie wir schon 
wissen (S. 51), einen nach innen gerichteten Willen: Ich 
„will“, daß mir ein Name einfalle, ich „will“ eine Rechen¬ 
aufgabe lösen. Ich „denke nach“, sagt man da. Aber es 
ist leicht zu zeigen, daß „Ich“ auch hier nichts „tue“. 
Ich warte, daß mir etwas einfalle, wie die deutsche 
Sprache so verständig sagt. „Machen“ tut mir auch hier 
den Einfall, also etwa die Lösung der Aufgabe, „jemand 
anders“, nur daß ich diesen „Jemand“ hier, wo es sich 
um den Ablauf des Innenlebens handelt, meine Seele 
nenne. Die kennen wir schon (S. 24); und wir wissen 
auch, daß wir sie im Reiche des Wirklichen mit dem Vital¬ 
faktor meines Leibes dürfen zusammenfallen lassen 
(S. 50). Übrigens vertagen wir die eingehende Unter¬ 
suchung des Verhältnisses zwischen bewußtem Wollen 
und unbewußtem Tun jetzt zum zweitenmal; denn, um 
dieses Verhältnis bis ins letzte mit Erfolg zergliedern zu 
können, müssen erst andere Erkenntnisse erworben sein.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.