Wollen und Handeln
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Buch holen wollen nun kann jedes Kind; dazu ist offenbar
nichts weiter nötig als Kenntnis dieser beiden Gesetze:
„Meine Beine können sich bewegen wie ich will“ und
„meine Hände können feste Dinge greifen und festhalten“.
Wieviel andere, viel intimere Gesetze jedoch müssen prak¬
tisch „angewendet“ werden, auf daß alles Gewollte wirk¬
lich geschehe! Wieder nennen wir: Himreizung, Nerven-
reizung, Muskelzusammenziehung. Ja, wer „weiß“ denn
um diese Dinge, und zwar offenbar auch, wenn ein Kind
oder ein ganz ungebildeter Erwachsener eine Handlung
ausführt? Denn „irgend jemand“ muß hier doch offenbar
„wissen“! Und zwar nicht nur so obenhin, sondern so,
daß er alle intimsten Gesetze „anwenden“ kann. Diese
intimsten Gesetze kennt ja nicht einmal der Naturforscher,
auch sein eigentlich bewußtes Ich-Wissen ist trotz aller
Wissenschaft ganz entsetzlich roh!
Nun haben wir schon früher gelernt, daß organische
Körper keine mechanischen, von selbst „gehenden“ Ma¬
schinen sind, sondern von einem Lebensfaktor, der seelen¬
artigen Wesens ist, gelenkt werden. Jeder organische
Körper hat so einen ihn lenkenden Faktor. Also hat ihn
auch mein Leib.
Und so dürfen wir denn endlich sagen: Wenn ich etwas
will, so handelt der Lebensfaktor meines Leibes und
weiß zugleich in allen Einzelheiten, wie er das angesichts
der Gesetzlichkeit der Natur anzufangen hat. Und dabei
übertrifft sein Wissen um die Natur das „meinige“ ganz
bedeutend; denn selbst wenn ich Naturforscher bin, weiß
ich nur sehr im Unbestimmten um Reizung von Hirn
und Nerv und um Muskelzusammenziehung, habe
aber nicht die leiseste Ahnung davon, was im Rahmen
aller dieser Dinge geschehen muß, auf daß zuletzt nun
gerade die Muskeln meiner Finger das gewünschte
Buch umklammern.
Also: Ich will, und der Vitalfaktor meines Leibes han¬
delt. Wenn ich „will“, so führt dieser Vitalfaktor das
Gewollte in allen seinen notwendigen, mir in ihrer Technik
gänzlich unbekannten Einzelheiten an meinem Leibe aus.
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