Wollen und Handeln
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Wer ist denn „Ich“? Ist das etwa der merkwürdige
Körper, den ich „meinen Leib“ nenne? Dieser Körper, der
sicherlich aus Materie besteht, denn er wiegt ja soundso
viele Pfund und kann stoßen und gestoßen werden, der
auch sicherlich zu den organischen Körpern gehört und
in den Affenleibern seine nächsten zoologischen Ver¬
wandten hat: Ist er das „Ich“? Das ist doch wohl nicht
der Fall. Wäre es der Fall, so würde ich ihn wohl nicht
„meinen“ Leib nennen; denn das soll doch wohl andeuten,
daß er mir „gehört“, daß er mein „Besitz“ ist, daß ich
ihn „habe“.
Aber wer ist denn Ich? Es gibt Philosophen, die uns
sagen, das Ich gebe es gar nicht; „Ich“ werde nur die
Summe aller meiner Erlebnisse und meines gesamten Ge¬
dächtnisvorrates genannt. Aber hier hat sich ja wieder
das Wörtchen „mein“ eingeschlichen, das auch hier wieder
auf einen Besitz, auf ein Zugehören, auf ein Haben hin¬
weist. Man will das Ich nicht, und es kommt doch immer
wieder zum Vorschein. Sollte das unvermeidlich sein? Und
was heißt denn „Ich“?
Nun, die Antwort ist ganz einfach, wenn man einmal
mit der Überlegung zu Ende gekommen ist.
Ich heißt nämlich — Ich; und wer das nicht versteht,
dem kann nicht geholfen werden, dem kann man ebenso¬
wenig etwas erklären, wie man dem Farbenblinden klar¬
machen kann, was rot und grün ist.
Ich bin Ich. Ich bin der, welcher alles bewußt „hat“,
seine Erlebnisse und seinen Gedächtnisvorrat und seinen
Leib, und der auch zugleich darum weiß, daß er das alles
hat. Oder in ganz strenger Sprache: Ich bin der sich selbst
wissende Bezugspunkt alles Habens; der sich selbst
wissende, wohlverstanden, nicht ein leerer logischer
Schatten.
Ähnliches haben wir schon auf S. 38 gelernt.
Wir haben nun vor kurzem die Frage aufgeworfen: Wer
will und wer handelt? Die Frage scheint jetzt erledigt zu
sein. Dieser „wer“ ist doch wohl Ich in dem jetzt klar
festgelegten undefinierbaren Sinne?
6 Driesch, Der Mensch und die Welt