Full text: Der Mensch und die Welt

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Der Mensch und die Welt 
überlassen; sie eben „stört“ nicht mehr. Es gibt da also 
kein „Leben“ mehr im empirischen Sinne des Wortes, 
denn Leben in diesem Sinne bedeutete uns ja das Gebannt¬ 
sein wissender Ganzheit in Materie. 
Im Leben, das heißt solange wir „lehen“, können wir 
jene reinliche Trennung, die zur „Erlösung“ führen würde, 
nicht vornehmen. Sie vornehmen hieße uns — töten. 
Sittliche Schau scheint uns zu lehren, daß wir uns nicht 
selbst töten sollen, sondern daß wir warten sollen, bis der 
Tod „kommt“. Sittliche Schau scheint weiter zu lehren, 
daß wir uns deshalb nicht töten, sondern im Dualismus 
ausharren sollen, bis das Ende kommt, weil es im Welten¬ 
plane liegt, daß der Mensch im Rahmen des empirischen 
Dualismus Aufgaben erfülle. 
Warum das sein muß, verstehen wir nicht; aber es ist 
gleichsam ein Instinkt in uns, der uns sagt, es müsse sein. 
Sittlich arbeiten sollen wir also als Lebendige an und in 
der Welt. Im Rahmen der dualistischen Verkettung, die, 
solange wir leben, nicht gesprengt werden kann, sollen wir 
arbeiten, und zwar an der Verminderung des un¬ 
ganzheitlichen Anteils der zwiespältigen Verkoppe¬ 
lung. Wir sollen immer mehr Unganzes zu Ganzem ma¬ 
chen, immer mehr Ganzheit hineinpressen in die materielle 
Unganzheit, in sittlichem Dienste. 
Wozu das, wo wir doch wissen, daß nie ein Ende er¬ 
reicht werden kann; wo wir doch wissen, daß die eigent¬ 
liche Überwindung der dualistischen Verkettung auch in 
dem „besten“ und „glücklichsten“ sozialen Zustand nicht 
gegeben wäre, sondern daß die eigentliche Überwindung 
dieser Verkettung nur gegeben ist im — Tod? Warum 
arbeiten mit aussichtslosem Ziel, aussichtslos für den 
Einzelnen und für die Gesamtheit? 
Warum ist Leben, strebendes Leben da, wo „Leben44 
dualistische Verkettung bedeutet, und wo der Lebende 
an dieser Verkettung leidet, Erlösung wünscht und 
weiß, was sie bedeuten würde? 
Das alles wissen wir nicht, und jede Vermutung darüber 
ist wissenschaftlich wertlos. Die Religionslehren vom
	        
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